Neu im Kino: Good Vibrations & Interview mit Terri Hooley

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Die missionarische Aufgabe von Terri Hooley war die Verbreitung von Punk an einem der gefährlichsten Orte der Welt. Im Belfast der 70er Jahre eröffnete er einen Plattenladen auf der Great Victoria Street, dem Epizentrum des Nordirlandkonfliktes – und er überlebte. 
Die Wichtigkeit, die Geschichte Hooleys festzuhalten, haben Colin Carberry und Glenn Patterson schon vor langer Zeit erkannt, und dennoch hat es fast 15 Jahre gedauert, die Idee, sein Leben zu verfilmen, umzusetzen.

„Good Vibrations“ (aus dem Kölner Verleih Rapid Eye Movies) zeigt die alkoholgeschwängerte Achterbahnfahrt durch das Belfast der 70er aus der Sicht des einen Auges von Terri Hooley. Originalaufnahmen des Nordirlandkonflikts schaffen es, den Film zu keiner Zeit aus seinem historischen Kontext zu reißen und trotzdem eine Geschichte zu erzählen, die ihren Fokus auf die Musik der Punkbands aus Belfast wie Rudi, Protex, Undertones, Stiff Little Fingers und Outcasts legt.
Hooley ist ein in den 60ern hängengebliebener Hippie, der nur zufällig mit Punk in Berührung kommt und direkt von der Kraft und dem Enthusiasmus gepackt wird, so dass er die Mission hat, Punkbands aus Belfast über die Grenzen Nordirlands hinaus zu Ruhm zu verhelfen. Dies stellt sich als sehr viel schwerer heraus, als die Schnapsidee vermuten lässt. Niemand in England interessiert sich für das erste Good Vibrations Release „Big Time“ von Rudi und auch die zweite Single „Teenage Kicks“ von den Undertones will in London niemand hören – bis John Peel das Lied gleich 2mal nacheinander spielt. 
Es geht bergauf, jedoch nur für die Undertones. Die Gefahren der Troubles nehmen zu, Good Vibrations steht finanziell immer schlechter da, aber es geht weiter…

Anlässlich der Deutschlandpremiere von „Good Vibrations“ am 08. Mai kam Terri Hooley kurzfristig nach Köln, um im King Georg bei der Premierenparty aufzulegen. 
Vorher hatten wir noch die Möglichkeit, Terri im Parallel zu treffen, um mit ihm bei Bier und Schnaps über den Film und Musik zu reden.

SLIK: Die meisten Filme, in denen es um Punk geht, werden dem Thema selten gerecht, sind häufig schlecht und fast immer albern. Wieso braucht man also einen Film über Belfast Punk?



Terri: Ich stimme dir zu, aber ich war nie ein Punk. Ich bin ein alter Hippie, der die 60er liebt und lebt. In den 60ern hat man der Musik nicht richtig zugehört und man konnte die Welt damit noch nicht verändern. So gesehen war Punk meine Hippie-Rache an der Gesellschaft. Die Geschichte dazu erzählt der Film Good Vibrations. Es ist eine gute Geschichte über Leute, die überleben, tanzen und eine gute Zeit haben wollen.
Ein Freund von mir aus Hamburg meinte, dass der Trailer auf Deutsch ziemlich scheiße sein soll, aber sonst mochten die meisten Leute den Film.

SLIK: Good Vibrations erzählt einen Teil deiner Lebensgeschichte. Wann kam die Idee auf, daraus einen Film zu machen?



Terri: Das ist bestimmt schon 14 Jahre her. Sogar noch vor meinem Buch haben die Dreharbeiten begonnen. Wir hatten so viel Material, dass wir Probleme hatten, uns zu entscheiden, was wir in den Film nehmen und was wir rauslassen. Als der Cutter dann die Endfassung fertig hatte, waren wir ziemlich zufrieden mit der Auswahl. Aber wir mussten den Film dann noch mal kürzen und jetzt ist er 93 Minuten lang. Das hat vor allen Dingen dem Cutter das Herz gebrochen, aber vielleicht gibt es irgendwann noch die lange Fassung zu sehen.

SLIK: Im Trailer heißt es „New York has the haircuts, London has the trousers, but Belfast has the reason“. Das zielt offensichtlich auf den Nordirlandkonflikt ab.



Terri: Stimmt. Deswegen mag ich den Film auch sehr gern, weil er eine Geschichte erzählt, die auch in anderen Teilen der Welt, wie z.B. in Beirut oder in Lateinamerika, so hätte passieren können. Oder auch in der Ukraine. Halt überall, wo es Troubles gab bzw. gibt.
In „Good Vibrations“ stellen die Troubles jedoch nur eine untergeordnete Rolle dar. Darüber gibt es eh schon genug Filme. Es geht eher darum, dass Kids von beiden Seiten in einer Dekade nur durch Punk vereint werden konnten. Protex, Outcasts, Undertones, Stiff Little Fingers waren nicht die besten Bands der Welt, aber das waren unsere Bands und wir lebten in der Hölle. In Dublin hingegen lebte man im Himmel, wo man alle Platten bekommen konnte und es so viele Clubs gab. Wir waren ziemlich neidisch in Belfast, aber alle Dublin Bands waren Müll verglichen zu unseren. Die meisten Bands gibt es noch, nicht alle in der Ursprungsformation, aber die machen‘s immer noch. Ich glaube, es war Kurt Cobain, der mal gesagt hat, dass wenn irgendwo auf der Welt Punk gebraucht wurde, dann in Belfast.

SLIK: Wenn ich mir die Texte der Stiff Little Fingers durchlese, bekomme ich ein ganz anderes Belfast der 70er präsentiert als in den Texten der Bands auf Good Vibrations Records. Wie war‘s denn nun?



Terri: Stiff Little Fingers hatten Erfolg, weil sie über die Troubles sangen und die Undertones nicht. Die sangen Goodboys Lovesongs und was so im Alltag passierte. Die wollten nicht auf den Wagen aufspringen und haben deswegen über „Teenage Kicks“ und nicht über ein „Alternative Ulster“ gesungen. Niemand in UK wollte die Musik haben: Irische Plattenlabel wollten nix von uns hören, weil wir nicht irisch waren und englische Plattenlabel wollten nix von uns hören, weil wir keine Engländer waren. Viele fantastische Bands aus den 60ern hatten nie eine Platte. In den 70ern existierte eine Szene und diese Szene wollte ihre Musik hören – deswegen hab ich Platten rausgebracht. Wir haben dann häufig die Konzerte als Geburtstagsfeiern angemeldet in irgendwelchen Hotels und dann keinen Geburtstag gefeiert, sondern eine Punkshow gemacht. Als das Hotelpersonal rausgefunden hat, worauf es sich da einlässt, war‘s zu spät, das Konzert zu stoppen.

SLIK: Und heutzutage?



Terri: Es gibt eine ziemlich große Szene im Vergleich zu damals. In den letzten 15 Jahren haben so viele Clubs neu eröffnet. Hier floriert es und es gibt viele Festivals. Jetzt gerade zum Beispiel spielt Martha Reeves in Belfast auf meinem Lieblingsfestival. Vor 35 Jahren wurde ich pro Woche maximal zu einem Konzert eingeladen und heutzutage sind es mindestens 350 Veranstaltungen in der Woche. Die Bands spielen gern in Belfast. Es ist aber nicht wie in Köln, wo man immer Shows bekommt. In Belfast ist man fanatisch, wenn Bands kommen, da man in Nordirland nicht so verwöhnt ist.

SLIK: Hast du deinen Plattenladen noch?


Terri: Den Laden gibt es noch. Er ist häufig umgezogen, aber jetzt ist er im Oh Yeah Music Centre, einem Artcenter, das auch Proberäume und Aufnahmestudios beherbergt.

SLIK: Du musst doch sicherlich eine riesige Plattensammlung haben…



Terri: Ich hab nur noch ganz wenig Vinyl. Nachdem meine Plattensammlung bei einem Brand verloren gegangen ist, hab ich zwar wieder angefangen, alles nachzukaufen, aber manchmal, wenn ich denke, dass ich eine Platte noch habe oder wieder habe, muss ich feststellen, dass ich mich doch geirrt habe und die auch verbrannt ist. Gary Moores (Gitarrist von Thin Lizzy) Freundin hat mir letztens eine Platte gegeben von einem deutschen Blues-Gitarristen, aber ich habe sie noch nicht mal ausgepackt. Ich schaue sie nur an, aber weil ich jeden Tag auflege und feiere, bin ich noch nicht dazu gekommen, sie anzuhören.

SLIK: So vertreibst du dir also die Zeit?



Terri: Ich lege noch regelmäßig auf und feiere gern. Ich bin seit 36 Stunden wach und hoffe, heute mal früh ins Bett zu kommen, damit ich morgen fit bin für die Premiere und zum Auflegen. Außerdem bin ich 65, da steckt man sowas nicht mehr so leicht weg, aber ich mag es einfach, eine gute Zeit zu haben – und dazu ein paar Getränke.

(Foto: Rapid Eye Movies HE GmbH)

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