Die Zyniker-Oase: Endlich – Summer moved on!

2013.10 - Kolumne nena_quadratDie Leute werden jetzt wieder etwas schwermütig, weil der Herbst kommt. Ich habe viel Zeit meines Lebens darauf verwendet, den Menschen klar machen zu wollen, was am Herbst schön und gut ist. Sie glauben mir nicht, die meisten jedenfalls. Die wollen Sonne, Sommer, unbedingt! Totale Hirnis, teilweise, weil: Der letzte Sommer hat’s doch mal wieder gezeigt – summer’s no good, nicht hier zumindest. Deutschland, und das ist die These dieser als launige Kolumne getarnten Streitschrift, kann keinen Sommer. Wissen Se, das sieht man doch gerade hier im Rheinland, in Köln – wir befinden uns in einem Kessel.

Deshalb fanden auch viele Politiker Bonn so doof, damals, zu Hauptstadtzeiten, wo noch viel mehr Ministerien dort stationiert waren. Immer schwül, alles klein und miefig. Gut, Köln ist nicht klein, Köln ist ja nicht Bonn. Aber schwül und miefig, im Sommer zumal, ist es schon, bei aller Heimatliebe. Wer das Pech hat, aus welchem Grunde auch immer, im Hochsommer die Kölner Verkehrsbetriebe in Nutzung nehmen zu müssen, sollte es eigentlich wissen: Der Horror hat Gesichter. Viele Gesichter. Nämlich die der Passagiere in den mobilen Saunen der KVB. Man sieht sich um und erblickt Menschen, die aussehen, als ergingen sie sich in der Ausbrütung einer Tropenkrankheit. Rote Flecken all überall, Schweiß, eine Blässe, die ganz und gar nicht vornehm, sondern nur feuchtigkeitsglänzend zu nennen ist. Es riecht. Manche Frauen fühlen sich bemüßigt, durch das Tragen ärmelloser Blusen zu demonstrieren, dass sie, wenn sie schon zwei Schwitzkästen mit sich herum tragen müssen, auch noch je einen Hippie darin mitschleifen können – kurz und besser gesagt: Sie bewahren das Erbe der Früh-80er-Nena nur allzu gewissenhaft. Überhaupt ein Problem: Der Sommer fördert bei vielen Leuten zutage, was doch besser deren gut gehütetes Geheimnis hätte bleiben sollen – eingehüllt in feines Tuch oder meinetwegen auch in Klamotten, die bedauernswerte Menschen in Bangladesch zusammengefügt haben. Klamotten sind toll, jeder sollte sie tragen.

Es ist halt so: Mediterran haben wir einfach nicht drauf, deutsche Hitze ist bestenfalls was für euch Studenten, die ihr den ganzen Tag am Aachener Weiher rumlümmeln könnt. Normale Menschen hingegen leiden doch nur, selbst wenn sie es nicht zugeben wollen und sich tatsächlich von den N24-Wetterfeen einlullen lassen. Die stehen vor ihrer Deutschlandkarte, immer mit einem debilen Grinsen, das wenig Aussicht auf Restverstand lässt, und schreien den Zuschauer nachgerade enthemmt an, dass er sich über die 37 Grad, die nun ins Haus stünden, gefälligst zu freuen habe. Die Nachrichtenmoderatoren, die daneben sitzen, strahlen pflichtschuldig – dabei haben die Schlipsträger unterhalb der Tischplatte vermutlich längst komplett abgelegt, um nicht zu dehydrieren.

Wer nun meint, das sei hier aber ein ziemliches Rumgemaule, lasse sich bitte belehren: Eben nicht! Denn – jetzt kommt ja der Herbst! Toll! Ich könnte grinsen, als verdiente ich meine Brötchen im Dienste von N24, grinsen, bis mir der Begeisterungsgeifer vom Kinn tröfe. Genießt die Farben. Kombiniert gekonnt die verschiedenen Herbst-Styles (jaja, wie auch immer). Esst Kürbis. Fahrt mit der KVB – das alles geht jetzt wieder. Ach, und noch was, Ladies: Eure Achselhaare braucht ihr jetzt auch nicht mehr zu rasieren.

(Text: Paul Becker)

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