Buchtipp: Lydia Davis – Kanns nicht und wills nicht

Davis-KannsnichtAls Lydia Davis 26 Jahre alt war und auf dem Land in Frankreich wohnte, machte sie sich einen strikten Plan fürs Schreiben: Früh aufstehen, an den Schreibtisch setzen und fünf Stunden – bis auf eine kleine Snack-Pause – das niederschreiben, was einem in den Sinn kam. Sei es das Ergebnis der Gedanken, die sie gerade beschäftigten oder die Beschreibung der Umgebung, wie z.B. das Treiben der Fliegen im Zimmer. Das Potential von Fragmenten für eine Geschichte ausloten.

Mittlerweile schreibt Davis (die übrigens mit Paul Auster verheiratet war) schon seit rund 40 Jahren Kurzgeschichten, hat französische Literaturgrößen wie Proust, Flaubert und Foucault ins Englische übersetzt und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. im Jahr 2013 mit dem Man Booker International Preis. Ihre Schreibmethode scheint sie bis heute zu praktizieren, ihre Erzählungen wirken wie ungefiltert auf Papier gebrachte Gedanken. Manchmal bestehen sie aus nur einem einzigen Satz oder einer Auflistung von Sätzen. Wie „Micro-Erzählungen“. Doch egal wie kurz ein Text ist, birgt er doch eine Geschichte in sich, die größer ist, als es die Anzahl der Buchstaben vermuten lässt. Wenn sie in aller Knappheit davon schreibt, dass ihr Hund nicht mehr da ist, sie hin und wieder noch ein Haar von ihm findet und es nicht wegwerfen möchte, da sie vielleicht aus den aufgesammelten Hundehaaren ihr Haustier irgendwann wieder zusammensetzen könnte. Oder wenn sie in voneinander abgetrennten Sätzen kleine, alltägliche Situationen aufzählt, die Gründe für ein profanes Unwohlsein sind, wie zum Beispiel, dass man im Zug keine zwei Sitze für sich alleine bekommen hat. Oder die kleinen Abgründe des Menschlichen aufdeckt, und sei es nur in Bezug auf die Frage, ob man einen Teppich behalten möchte oder nicht. Dann bringt sie das auf den Punkt, was aus Unwichtigkeiten zu etwas Größerem, Wichtigen erwächst. Dann erkennen wir uns als Leser in diesen Gedanken und Situationen wieder. Und müssen lächeln. Weil wir feststellen, dass es diese Kleinigkeiten sind, die das Leben ausmachen.

Lydia Davis’ Erzählband „Kanns nicht und wills nicht“ ist erschienen im Literaturverlag Droschl.

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