Buchtipp: Lisa Halliday – Asymmetrie

asymmetrieEs ist schon irgendwie unfair. Man kommt bei einer Rezension von Lisa Hallidays Debutroman nicht darum herum, Philip Roth zu erwähnen. Der im Mai dieses Jahres verstorbene Gigant der amerikanischen Gegenwartsliteratur steckt hinter der Figur „Ezra Blazer“, mit dem Hallidays fiktives alter ego Alice Dodgson eine kurze Affäre hat. Aber Asymmetrie ist viel mehr als nur die Aufarbeitung einer vergangenen Romanze. Kaum ist man in Ezra und Alices Liebschaft eingetaucht, geht es mit der Lebensgeschichte des irakisch-amerikanischem Amar Ala Jaafari weiter. Klingt verwirrend, beweist aber nur, dass Romane, wie das Leben auch, nicht geradlinig verlaufen müssen, um spannend zu sein.

Der Roman beginnt mit einem zufälligen Treffen im Park. Alice, Mitte 20 und Assistentin in einem renommierten Verlagshaus, lernt dort den 40 Jahre älteren Ezra kennen, einen weltberühmten Schriftsteller, der sich sofort in die junge Frau verliebt. Alice ist das blühende Leben, Ezra ein von der Gebrechlichkeit des Alters geplagter Mann, die Asymmetrie wird sofort offensichtlich. Beide verbringen mehrere Monate miteinander, sie lernt von ihm, er saugt ihre Jugend auf wie ein Schwamm. Dann der abrupte Bruch. Weiter geht es mit Amar, ein Ökonom, der während seiner Suche nach seinem verschwundenen Bruder am Londoner Flughafen Heathrow festgehalten wird. Er erzählt sein Leben und das seiner Familie, immer mit dem Irakkrieg als traumatischem Einschnitt im Hintergrund. Der dritte und kürzeste Teil des Romans führt zurück zu Ezra. Es ist ein transkribiertes Radiointerview, das noch einmal tief in seine Seele blicken lässt, vielleicht auch tiefer, als man eigentlich möchte.

Natürlich hat die Geschichte von Ezra und Alice etwas Voyeuristisches, wenn man bedenkt, dass die Geschichte der beiden auf wahren Tatsachen beruht, aber obwohl die Schilderungen extrem intim sind, ist man nie peinlich berührt. Doch auch Amars frei erfundene (und doch erschreckend nachvollziehbare) Lebensgeschichte bewegt durchweg, ohne sich in Plattitüden zu verlieren. Obwohl das Paar und der Wissenschaftler sich nie begegnen, hat man das Gefühl, dass ihre Geschichten nicht zufällig oder grundlos erzählt werden. Ihre Unverbundenheit macht sie umso interessanter. Halliday legt einen grandiosen Roman vor, dessen Titel Programm ist und man kann es nicht anders sagen, selten war das Fehlen jeglicher narrativer Symmetrie so schön. Roth hätte ihn (fast) nicht schöner schreiben können.

(Verlag: Hanser)

Autorin: Annette Schimmelpfennig

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