Schizophren, oder was? – Interview mit Paul Banks

Vor zehn Jahren wurde er als enigmatischer Frontmann der Band Interpol bekannt, 2009 veröffentlichte er unter dem Pseudonym Julian Plenti sein erstes Soloalbum. Ende letzten Jahres folgte dann das zweite, diesmal unter seinem richtigen Namen und dem schlichten Titel „Banks“. Während seine Band nach dem Ausstieg von Bassist Carlos Dengler eine Pause eingelegt hat, scheint Banks kreativer denn je. Tülay Cataltepe traf ihn vor seinem Konzert im Kölner Gloria.

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Am 25. Januar hast du auf deiner Homepage ein Mixtape mit dem glorreichen Titel „Everybody on my dick like they supposed to be zum kostenlosen Download veröffentlicht. Was hat es damit auf sich?

(lacht) Der Titel ist ein Zitat von Rick Ross. Mir war gar nicht bewusst, dass Leute annehmen würden, der Titel wäre ursprünglich von mir. Das ist ganz schön witzig. Ich mag Rick Ross sehr und habe dieses Interview mit ihm im XXL Magazin gelesen, kurz bevor er auf Nummer 1 der Charts landete. Es ging darum, wie man sich denn fühlt, wenn man als die nächste Nummer 1 gehandelt wird. Ich fand diese Selbstgefälligkeit ziemlich großartig, als wäre es gottgegeben und kein bisschen überraschend. Ich habe das Zitat dann zunächst für ein Gemälde genutzt, was nun das Cover für das Mixtape ist.

Zu deinen Gemälden wollte ich später noch zu sprechen kommen. Wie kommt es, dass du mitten in der Tour mir nichts dir nichts ein Mixtape mit 21 neuen Songs veröffentlichst?

Als ich Matador zum ersten mal mein Julian Plenti-Solomaterial vorgespielt habe, habe ich ihnen auch mein Hip-Hop-Alter-Ego Jacques Zelade vorgestellt. Ich hatte ziemlich viele instrumentale Hip-Hop-Songs, die mit dem Computerprogramm Logic entstanden sind, was ich auch benutzt habe, um die Songs auf meinem ersten Soloalbum, die aus meiner College-Zeiten stammen, neu aufzunehmen. Allerdings war das erste, was ich in Logic gelernt habe, Beats zu produzieren, weil ich als DJ Fancypants Hip-Hop aufgelegt habe und die Idee, meine eigenen Beats zu droppen ziemlich toll fand. (lacht) Ich war völlig überwältigt von dem Programm und habe seit 2006 die ganze Zeit nebenbei Hip-Hop-Songs aufgenommen. Ich hatte also all diese Musik angesammelt, die ich nicht innerhalb weniger Wochen zusammengewürfelt habe, sondern in die ich sechs Jahre lang viel Zeit, Energie und Leidenschaft gesteckt habe.

Paul Banks, Julian Plenti, Dj Fancypants und Jacques Zelade: All diese verschiedenen Charaktere, die du dir aufgebaut hast, haben in der Presse auch für Verwirrung gesorgt. Im Internet wurden Fans teilweise sogar richtig wütend, wenn man dich auf auf einem Julian Plenti-Foto als Paul Banks bezeichnet hat und umgekehrt.

Wirklich? Das ist ja witzig. Ich weiß das zu schätzen, dass Fans sich das zu Herzen genommen haben. Das sind die Superfans, die es sofort angenommen und unterstützt haben, als ich mit meinem ersten Soloalbum plötzlich Julian Plenti war. Aber von meinem Standpunkt aus war es nicht gerade clever, für eine Platte meinen Namen zu ändern, sondern eher eine künstlerische Laune. Von daher kann ich auch die Fans verstehen, die genervt davon sind und hoffe, dass sie Verständnis dafür haben, dass Julian Plenti eine Dokumentation meiner frühesten Werke war und dadurch auch so betitelt werden musste. Ich wollte die Sache unbedingt ganz durchziehen. Ich wollte nicht sagen „ich bin Paul Banks von Interpol aber das sind Julian Plenti Songs“. Ich habe auch nicht viel Presse dafür gemacht oder es großartig erklärt. Ich wollte etwas Bescheidenes machen, also habe ich es auch nicht von meinem Label an die Interpol-Fanbase vermarkten lassen.

Hattest du auch das Gefühl, dass zu viel in die verschiedenen Identitäten reininterpretiert wird?

Nun, was ich als Künstler eigentlich noch komplizierter fand, war die Tatsache, dass die Presse mich von Anfang an auf eine bestimmte Weise dargestellt und in eine Nische gedrängt hat. Und zu Interpols Anfangszeiten war ich sehr frustriert, weil es immer hieß, ich hätte etwas zu viel Joy Division gehört und wäre so eine Art melancholischer, überernster Anhänger der düsteren Musik der 80er. Was niemals meine Persönlichkeit oder mein musikalischer Geschmack war. Niemand wollte mir glauben, dass ich am liebsten Hip-Hop höre und mit den Pixies aufgewachsen bin und all diese anderen Einflüsse habe. Irgendwann habe ich aber begriffen, dass mir vor allem die Presse meine wahren Einflüsse nicht abkauft oder sich nicht dafür interessiert, weil man sie in dem, was ich tue, einfach nicht raushören kann. Die Fans waren da toleranter, aber mit dem Konzept verschiedener Charaktere wurde es tatsächlich ein bisschen schwierig, da Fans sich einfach gerne ein Bild von einem Künstler aufbauen. Ich habe grade ein bisschen das Gefühl, dass ich bei einer Sache bleiben sollte, damit die Leute nicht denken, ich wäre schizophren oder so.

Du hast grade schon erwähnt, dass dein Verhältnis zur Presse ein nicht gerade gutes war und ist. Du hast in Interviews auch mehrmals gesagt, dass du nichts über dich selbst liest. Wird das auch bei diesem Mixtape der Fall sein?

Ja. Es ist zwar etwas völlig anderes, aber die Sache ist einfach, dass Journalisten anscheinend oft nicht verstehen, dass Künstler sensible Menschen sind. Es ging also nie darum, dass es mich nicht interessiert, was sie schreiben. Ganz im Gegenteil, es versaut mir einfach den Tag, wenn ich irgendwelche höhnischen Kommentare lese. Grade bei offiziellen Albumkritiken denke ich auch einfach, dass ich meine Alben nicht für diese Leute schreibe. Ich käme mir vor wie ein Boot ohne Ruder, wenn ich mich danach richten würde, was der NME oder die New York Times an meiner Musik auszusetzen haben. Ich schreibe meine Songs nicht für Geld oder deren persönliche Anerkennung, mein einziger Parameter als Künstler sind meine eigenen Instinkte. Ich finde es ok, wenn Fans Kritiken lesen und sich dadurch schon mal eine Idee über ein Album einholen, aber was habe ich davon? Wenn es mir darum ginge, Hitsingles zu verkaufen, wie Rihanna, dann wäre es vielleicht eine gute Idee, Kritiken zu lesen, aber wenn es um meinen künstlerischen Ausdruck geht, was kümmert mich das Geschwätz? Dummerweise kümmert es mich doch, es beschäftigt mich, wenn jemand meine Sachen scheiße findet. Also lese ich einfach nichts darüber.

Ich möchte noch mal auf das Cover-Artwork zurückkommen. Das Cover deines Albums „Banks“ ziert ein Foto, was du selbst geschossen hast. Könntest du dir vorstellen, irgendwann deine Gemälde und Fotos auszustellen oder in weiteren künstlerischen Bereichen aktiv zu werden?

Unter meinen Gemälden sind schon ein paar dabei, die ich ausstellen würde. Und ich denke, es wäre auch kein Problem, eine Ausstellung zu bekommen, einfach weil ich der Sänger einer Band bin. Allerdings halte ich sie auch nicht für so gut, als dass jemand mich als unbekannten Maler ausstellen würde. Aber ja, ich liebe die Malerei, Fotografie ein bisschen weniger. Viel lieber würde ich Filmmusik schreiben. Ich bin eigentlich an jeder Kunstform irgendwie interessiert. Ab und zu denke ich drüber nach, wie es wäre, Mode- oder Möbeldesigner zu sein…

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Den Fans seiner Band Interpol, die sehnsüchtig auf ein neues Album warten, kann Banks keinen genauen Termin nennen. Als Solokünstler macht er aber schon mal den Eindruck, als könne man noch einiges von ihm hören.

(Text und Interview: Tülay Cataltepe)

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