Buchtipp: Peter Handke – Versuch über den Pilznarren

42383»Eine Geschichte wie die seinige, wie die sich ereignet hat, und wie ich sie, zeitweise aus nächster Nähe, miterlebt habe, ist jedenfalls noch keinmal aufgeschrieben worden«, heißt es auf den ersten Seiten von Peter Handkes fünften Band der Reihe mit Versuchen. Gegenstand dieses (vorerst?) letzten Versuchs, nach Müdigkeit (1989), Jukebox (1990), dem geglückten Tag (1991) und zuletzt 2012 dem Lokus (»Versuch über den stillen Ort«) ist ein närrischer Pilzsammler. Der Pilznarr ist nicht etwa dem Autor Peter Handke nachempfunden, sondern einem ehemaligen Freund aus der Kindheit.

Dieser kehrt nach einem seiner selbstvergessenen Pilzspaziergängen nicht zurück. Hier setzt Handkes Erzählung ein, um die Pilzleidenschaft des Freundes zu beschreiben. Regelrecht verfallen ist der seinem Objekt der Begierde; jeder Pilz ist in seiner Singularität etwas besonderes für ihn: »Nein, die von ihren Funden in ›Kilos‹ sprachen, die sie ›in einer Minute‹ gesammelt hatten und ›eimerweise‹ aus dem Wald trugen, das waren keine Pilzkenner oder gar –wissenschaftler, so wie er, obwohl er im Verlauf der Begebenheiten zwischendurch mikroskopierte und, ebenfalls nur episodisch, präparierte, kein Mykologe wurde, sondern, wie selbst er es sich von Zeit zu Zeit eingestand, eben ein Pilznarr.«

Handke erzählt die Geschichte seines Pilznarren im Stile eines Naturessays und sucht seinesgleichen beim großen Autor des amerikanischen Nature-Writings: Henry David Thoreau, über den er beklagt, nicht über Pilze geschrieben zu haben. Handkes Waldgänger ist ebenfalls ein Aussteiger, dessen Alleingang nicht ohne gesellschaftliche Konsequenzen bleibt. Handke erzählt seine Geschichte mit sprachlichem Witz und brillanten Beobachtungen. Warum Handkes märchenhafter fünfter Versuch so lesenswert ist, verrät er dem Leser auf den letzten Seiten: »Das Märchenhafte, im Fall des Falles, ist das Allerwirklichste, das Notwendige. Luft, Wasser, Erde und Feuer als die vier Elemente, und der Märchenmoment als das fünfte, das Zusatz-Element.« Es ist eben eine Geschichte für sich.

(Text: Maximilian Burk, Verlag: Suhrkamp)

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