Vom Tweeten und Täuschen: Die phil.COLOGNE 2015

Erst drei Jahre ist die kleine philosophische Schwester der lit.Cologne alt und trotzdem wartete sie dieses Jahr mit einem Programm auf, das sich keinesfalls hinter dem großen Literaturfestival verstecken muss. Wir waren zusammen mit Eric Jarosinski „Too Cool for Frankfurt School“ und haben Siri Hustvedts „gleißende Welt“ betrachtet.

Der Name Eric Jarosinski dürfte noch immer Wenigen ein Begriff sein, der Twitteraccount @NeinQuarterly hingegen schon mehreren. Jarosinki ist der Kopf hinter dem gelben Adorno-mit-Monokel-Icon und tweetet täglich lustige und manchmal auch nachdenkliche Sprüche in die Welt hinaus, wie „What did Jesus have, like 12 followers?“ oder „Adorno. German for yolo.“ Für die Zeit kommentiert Jarosinski wöchentlich das politische Geschehen in kurzen Vierzeilern wie „Was wusste das Kanzleramt? Nichts. Seit wann? 2008“.

Besonders hat es ihm jedoch die komplexe Grammatik der deutsche Sprache angetan, die er gerne mit Tweets wie „German Lesson 2: When in doubt, Umlaut“ auf die Schippe nimmt. Auf der phil.cologne erzählte der Amerikaner, übrigens in fehlerfreiem Deutsch, von seinem Weg als Professor für Germanistik in Pennsylvania zur Twitterikone und betonte dabei, dass ihm das manchmal alles gar nicht so geheuer ist. Unterhaltsam gab er Samstag Abend eine Einführung in die Kunst der Knappheit und bemerkte dabei, dass jeder einen Tweet schreiben kann, die eigentliche Frage ist nur, was schreibt man.

Begonnen hat alles, als Jarosinski an einem längeren akademischen Werk saß und es einfach nicht zu Ende bringen konnte. Er begann mit dem Twittern und schuf die fiktive Fachzeitschrift „NeinQuarterly“, deren philosophisch-komische Sprüche schnell eine große Anhängerschaft fanden. Jarosinski betont mittlerweile, dass eigentlich schon die 140 Zeichen zu viel sind und es eine noch größere Herausforderung wäre, sich auf 50 bis 60 zu beschränken. Wenn man aber einmal angefangen hat, sich durch seine teilweise urkomischen Kommentare zu lesen, möchte man eigentlich, dass er wesentlich mehr Zeichen benutzt. Aber auch damit kann er dienen, im August erscheint Nein. Ein Manifest.

Ähnlich tiefgründig und unterhaltsam verlief der Sonntagabend mit Siri Hustvedt in den Balloni-Hallen. Hustvedt, hierzulande vor allem für ihre Romane Was ich liebte und Die Verzauberung der Lily Dahl bekannt, ist eine Erscheinung in jeder Hinsicht. Geduldig erzählte sie von ihrer Motivation, ihr neuestes Werk Die gleißende Welt zu schreiben und ließ es sich auch nicht nehmen, zwei Kapitel selbst vorzulesen, auch wenn Moderator Gert Scobel eigentlich schon Feierabend machen wollte. Ihr zuzuhören war eine Freude, denn obwohl sie sich mit durchaus ernsten Themen befasst, blitzte immer wieder ihr Humor durch und man merkte sofort, dass Hustvedt keine vorgekauten Antworten parat hat, sondern immer wieder wohlüberlegt auf jede auch noch so komplexe Frage antwortet.

Besonders interessant waren ihre Ausführungen über ihre Romanheldin Harriet Burden, die sich, um endlich die Anerkennung in der Kunstwelt zu bekommen, die ihr längst zusteht, als drei verschiedene Männer ausgibt und somit selbst Experten täuscht. Hustvedt gesteht, dass auch ein bisschen vom Geltungsbedarf ihrer Protagonistin in ihr selbst steckt, was zu viel Gelächter im Saal führte. Erfreulich war ebenfalls, dass Hustvedt sich nach der Veranstaltung ausführlich Zeit zum Signieren und Fragen beantworten nahm und dies mit einer Herzlichkeit, die man sonst selten findet. Ein rundum gelungener Abend mit einer spannenden Frau ging somit zu Ende.

(Text: Annette Schimmelpfennig, Bild: Ast/Jürgens)

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