Neu im Kino: Tschick

TschickWenn man das Vermächtnis des 2013 verstorbenen Schriftstellers Wolfgang Herrndorf zusammenfasst, steht ein Werk ganz vorne: Tschick. Der Roman über zwei jugendliche Ausreißer, die sich mit einem gestohlenen Lada auf einen Road Trip ohne wirkliches Ziel begeben, war Herrndorfs größter Erfolg. Posthum kommt „Tschick“ nun auch ins Kino – und auf dem Papier konnte es eigentlich kaum einen passenderen Regisseur geben.

Fatih Akin („Gegen die Wand“, „Soul Kitchen“) bewies in den letzten 18 Jahren mehrfach, welch sicheres Händchen er als Regisseur, Produzent und Drehbuchschreiber für die Porträtierung der hiesigen Multikulti-Gesellschaft hat. Nein, natürlich ist „Tschick“ kein klassischer Multikulti-Movie. Aber doch ist die kulturelle Herkunft – beziehungsweise der entsprechende Unterschied – der beiden Protagonisten prägend für ihre persönliche Beziehung und den Verlauf des Films.

Der Plot ist vergleichsweise schnell erzählt: Der 14jährige Teenager Maik Klingenberg (Tristan Göbel) ist Außenseiter in seiner Klasse und gilt als „Psycho“ und Einzelgänger. Was nicht zuletzt mit seinem familiären Zustand zu tun hat: Die Mutter (Anja Schneider) ist Alkoholikerin und verbringt große Teile des Jahres in Entziehungskuren, während der Vater (Uwe Bohm) als erfolgreicher, arroganter und jähzorniger Immobilienunternehmer lieber die Zeit mit seinen neuen weiblichen Errungenschaften verbringt, als sich um seinen Sohn zu kümmern. Die Sommerferien wären für Maik wohl auch dementsprechend einsam verlaufen, wäre da nicht der gleichaltrige russische Mitschüler Andrej Tschichatschow, genannt Tschick (Anand Batbileg), wenige Wochen vor dem Schuljahresende in seine Klasse eingeschult und prompt zu Maik an den Tisch gesetzt worden.

Obwohl er den ständig nach Alkohol riechenden Tschick anfangs überhaupt nicht leiden kann, ist es eben jener, der pünktlich zu Beginn der Sommerferien beim allein gelassenen Maik auf der Matte steht. Einen passenderen Moment kann es nicht geben, denn bevor Maik in Selbstmitleid vergeht, weil er neben Tschick als einziger Mitschüler nicht für die Riesenparty seines großen Schwarms Tatjana eingeladen worden ist, bringt dieser endlich Action in sein ansonsten vorhersehbares Leben. Nachdem sie gemeinsam Tatjanas Party gecrasht haben, lässt sich Maik in der anschließenden Euphorie zu einem Road Trip überreden. Das Ziel: Die Wallachei – in einem unlängst von Tschick „geborgten“ Lada. Dass der gemeinsame Ausflug deutlich früher und unfreiwillig enden dürfte, ist zwar von Anfang an klar – aber der abenteuerlich-chaotische Trip schweißt die beiden so unterschiedlichen Jungs vor seinem jähen Ende zu richtig guten Freunden zusammen.

Während der Anfang des Films mit ein paar Klamaukeinlagen noch etwas über sein Ziel hinausschießt, gelingt es Akin spätestens mit dem Beginn des Trips, die feine Subtilität des Buches und seiner Charaktere gelungen für die Leinwand zu adaptieren. Üblicherweise ist es kaum möglich, die Feinheiten der Vorlage 1:1 zu übernehmen – aber insgesamt ist „Tschick“ letztlich doch eine wirklich runde Verfilmung mit überzeugenden Hauptdarstellern, für die man als Zuschauer nach ein wenig Anlaufzeit doch eine Menge Sympathie empfindet.

D 2016, Regie: Fatih Akin, Kinostart: 15.09.2016

(Text: Steffen Rieger, Bild: Studiocanal)

Kommentare sind geschlossen.