Neu im Kino: Straight Outta Compton

Straight Outta ComptonSelten wurde eine Biographie schon Wochen vor Kinostart sehnsüchtiger erwartet als diese: Rund 24 Jahre nach ihrer Auflösung hat es die legendäre Hiphop-Kombo N.W.A. endlich auf die große Leinwand geschafft. „Straight Outta Compton“ zeichnet den Werdegang der Band nach, die Gangster-Rap in den späten 80er-Jahren einst salonfähig machte.

Los Angeles im Jahr 1986: Im berüchtigten Stadtteil Compton sind Gangkriminalität und Drogenhandel an der Tagesordnung. Mittendrin: Andre Young (Dr. Dre), Eric Wright (Eazy-E), O’Shea Jackson (Ice Cube), Lorenzo Patterson (MC Ren) und Antoine Carraby (DJ Yella), fünf junge schwarze Bewohner des Viertels, teilweise seit frühester Jugend befreundet und mit einem großen Traum: DIE Hiphop-Crew gründen und erfolgreich werden.

Der Rest ist Geschichte: Mit Geld aus dem Drogenhandel finanziert Eazy-E sein eigenes Label Ruthless Records, nimmt dort sein legendäres Debüt „Boyz-n-the-hood“ auf und legt damit den Grundstein für den Erfolg von N.W.A., die 1989 ihr Erfolgsalbum „Straight outta Compton“ veröffentlichen und wenig später dank des Songs „Fuck tha Police“ in den Fokus von Polizei und FBI rutschen. Ungeheurer weltweiter Popularitätsschub inklusive.

Der Film „Straight outta Compton“ erzählt die Geschichte der Band über einen Zeitraum von zehn Jahren – beginnend zu der Zeit, als sich N.W.A. personell zwar schon gefunden hatten, aber noch nicht als Band auftraten. Es folgt der rasante Aufstieg zu weltweiter Bekanntheit, die Trennung von Hauptschreiber Ice Cube aufgrund finanzieller Differenten 1989 als auch der anschließende Disput zwischen Cube und den verbleibenden Mitgliedern sowie 1991 die Auflösung der Band. Die Folge: Dr. Dre, jahrelang Hauptproduzent, gründet mit dem ehemaligen Bodyguard Suge Knight das Label Death Row Records, legt mit „The Chronic“ einen weiteren Hiphop-Classic vor und bringt nebenbei noch die Karrieren von Snoop Dogg und 2Pac (beide mit kurzen Cameo-Auftritten) in Schwung. Der Film endet schließlich mit der AIDS-Erkrankung und dem Tod des mittlerweile verarmten Eazy-E im Jahre 1995 sowie der Trennung Dr. Dres von Death Row ein Jahr später, nachdem Dre die brutalen Methoden Knights zum wiederholten Male nicht mehr tolerieren kann.

Um nicht zu sehr von der Band und ihrer Geschichte abzulenken, verzichtete man weitestgehend auf übermäßig bekannte Schauspieler – außer Paul Giamatti, in der Rolle des zwielichtigen Managers Jerry Heller wie erwartet mit einer hervorragenden Performance. Der Fokus des Films liegt ansonsten auf Eazy-E, Dr. Dre und Ice Cube, während man MC Ren (Aldis Hodge) und DJ Yella (Neil Brown Jr.) nur am Rande Aufmerksamkeit zollt. Neben Jason Mitchell, der als Eazy-E trotz einer etwas überzogenen Darstellung als partysüchtigem Drogenhändler und geldgierigem Geschäftsmann eine wirklich überzeugende Rolle spielt, hat man für die Besetzung von Ice Cube wohl die mit Abstand beste Wahl getroffen: Niemand geringeres als O’Shea Jackson Jr., der Sohn des legendären Ice Cube, spielt seinen eigenen Vater und erspielt sich als solcher schon durch Gestik, Mimik und äußere Ähnlichkeit Pluspunkte. Corey Hawkins als Dr. Dre erreicht zwar nicht ganz die selbe Authentizitätsstufe, darf aber dafür am Anfang des Films eine der schönsten Szenen des ganzen Films spielen: Der jugendliche Dr. Dre liegt, von Platten umringt, mit großen Kopfhörern und Musik auf voller Lautstärke auf dem Boden seines Kinderzimmers, während er mit geschlossenen Augen und Fingern in der Luft die Melodie des Roy-Ayers-Klassikers „Everybody loves the sunshine“ nachspielt.

An Szenen wie diesen merkt man, wie viel Gedanken sich die Verantwortlichen um das Gesamtwerk gemacht haben, denn auch der Regisseur ist ein alter Bekannter und für einen N.W.A.-Film nahezu prädestiniert: F. Gary Gray setzte 1995 Ice Cubes Filmerfolg „Friday“ in Szene (sowie einige Jahre später Kinoerfolge wie „The Italian Job“ und „Be Cool“) und drehte schon seit 1993 wiederholt für Dr. Dre, Ice Cube und viele andere namhafte Rapstars Musikvideos.

Dass die Band-Biographie nicht ganz exakt wiedergegeben wird und einige Ereignisse der Einfachheit halber einfach übergangen werden, ist allerdings bedauerlich. So werden Ur-Mitglieder wie Krazy Dee und Arabian Prince nicht erwähnt und auch das Debütalbum der Band – „N.W.A. and The Posse“ – wird ebenso kaum thematisiert wie die beiden Alben der Post-Ice Cube-Zeit. Das ist durchaus schade, allerdings in gewisser Weise für die Konsistenz des Films verständlich, will man nicht ein langatmiges 4-Stunden-Epos daraus machen. Schließlich ist „Straight outta Compton“ dennoch mit nicht ganz 2,5 Stunden Laufzeit ein richtig unterhaltsamer Streifen mit einer stringent erzählten Handlung und jeder Menge Gänsehautfeeling für Langzeitfans, besonders wenn die Musik einsetzt und die alten N.W.A.-Klassiker gespielt werden. Absolut sehenswert!

USA 2015, Regie: F. Gary Gray, Kinostart: 27. August 2015

(Text: Steffen Rieger, Bild: Universal Pictures)

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