Neu im Kino: Nymphomaniac

Nymphomaniac_by_Christian_Geisnaes_1400Vielleicht die erste Enttäuschung vorweg: Wer glaubt, sich seine Portion Porno diesmal gemütlich im Filmhaus seines Vertrauens anstatt Zuhause vorm PC oder im Sexkino um die Ecke holen zu können, sei gewarnt: Trotz Genitalien in Großaufnahme ist „Nymphomaniac“ eher deprimierend als erregend. Nix mit hihihi Penis, bei Lars von Trier wird nicht zum Vergnügen gevögelt.

Der Eigenbrötler Seligman (Stellan Skarsgard) findet nachts auf der Straße die schwer verletzte Joe (Charlotte Gainsbourg) und nimmt sie bei sich auf. Joe fasst Vertrauen und erzählt ihm ihre Geschichte. Beginnend mit der Entdeckung ihrer Sexualität im frühen Kindesalter, über Sexwetten um Schokolinsen mit der besten Freundin, ihre unglückliche Liebe zu Jerôme (Shia LaBeouf) und die Suche nach immer neuen Partnern, schonungslos und detailliert berichtet Joe von ihrem Liebesleben und outet sich als Nymphomanin. Immer auf der Suche nach dem nächsten Kick, dem nächsten Orgasmus, verliert sie langsam die Kontrolle. Seligman ist fasziniert und entlockt ihr mit seiner scheinbar einfühlsamen Art eine zugleich fesselnde und schockierende Lebensbeichte.

„Nymphomaniac“  ist, nach „Antichrist“ und „Melancholia“, der dritte Teil von von Triers Depressions-Trilogie und man ist froh, dass zwischen Teil eins und zwei etwas Zeit vergeht, denn wie beim Meister schon üblich, geht einem das Gesehene an die Nieren. Dabei sind es nicht mal der ungewohnt explizite Voyeurismus und teils hemmungslose Gewalt, sondern die völlig destruktiven Beziehungen zwischen den Charakteren, die auf Dauer Beklemmung auslösen. Immer wieder zitiert sich von Trier selbst, indem er ganze Einstellungen aus „Antichrist“ übernimmt, jedoch hat „Nymphomaniac“ zwischendurch auch absurd komische Momente (zwei Worte: Uma Thurman) und überzeugt mit einem großartigen Cast (mit Udo Kiers bisher schönstem Cameo-Auftritt) und Dialogen, die mindestens so kontrovers sind und nachdenklich stimmen, wie die provokanten Bilder. Fazit: Kein Film fürs verspätete Valentins-Date, aber es lohnt sich schon allein für die mutigen Performances der Darsteller, sich auf den üblichen von Trierschen Mindfuck einzulassen.

DK (u.a) 2014, Regie: Lars von Trier, Kinostart: 20.02. (Teil 1, Teil 2: 03.04.)

(Text: Annette Schimmelpfennig, Bild: Christian Geisnaes / Concorde Filmverleih 2014)

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