Neu im Kino: Den Menschen so fern

Dass ein Western nicht immer mit Cowboys zu tun haben und in Nordamerika spielen muss, zeigt „Den Menschen so fern“. Basierend auf einer Kurzgeschichte von Albert Camus verlagert dieser das Geschehen in das Algerien des Jahres 1954.

Und so steht der Lehrer Daru (Viggo Mortensen) im Mittelpunkt und wird völlig unerwartet mitten hinein gezogen: Einst Soldat im algerischen Militär, betreibt er nun zurückgezogen eine kleine Schule im kargen algerischen Atlasgebirge. Dort hat er nicht viel zum Leben, aber immerhin seine Ruhe – bis zu dem Zeitpunkt, an dem ihm der Gefangene Mohamed (Reda Kateb) aufgezwungen wird. Der soll einen Verwandten umgebracht haben und Daru erhält trotz seiner Widerstände die Aufgabe, ihn zu seiner Verurteilung zu bringen.

Also machen sich die beiden unfreiwilligen Partner auf den Weg – eine Wanderung durch das Gebirge, die zu Fuß im Winter ohnehin schon beschwerlich genug wäre. Darüber hinaus warten aber jede Menge Gefahren auf sie: Reiter auf der Suche nach einem Bauernopfer, Dorfbewohner mit dem Verlangen nach Blutrache und schließlich wird das ungleiche Paar sogar in erste Kriegsscharmützel hinein gezogen. Erst geraten sie in die Fänge algerischer Rebellen, dann schließlich zwischen die algerischen und französischen Fronten. Den beiden Verbündeten bleibt nichts anderes mehr übrig, als sich gemeinsam den Gefahren ihrer Reise zu stellen – denn nur so bleibt ihnen noch die Möglichkeit, doch noch zu überleben und das Ziel ihrer Reise zu erreichen.

1957 veröffentlichte der französische Schriftsteller Albert Camus als Teil seines Spätwerks die Kurznovelle „Der Gast“, in der er die Konflikte zwischen französischen und algerischen Einwohnern kurz vor Ausbruch des algerischen Unabhängigkeitskrieges thematisiert. Regisseur und Drehbuchautor David Oelhoffen gelingt es, aus diesem eigentlich recht kurzen Stoff einen abendfüllenden Spielfilm zu kreieren, ohne die Handlung unnötig aufgeblasen erscheinen zu lassen. Der Streifen treibt ruhig, aber zielgerichtet voran und setzt auf gelungene Landschaftsaufnahmen und die Geschichte, wie zwei fremde und vollkommen unterschiedliche Menschen nach und nach zu Freunden werden und zusammen trotz aller Widerstände ihr Ziel erreichen – und sich dabei letztlich zu anderen Menschen als zuvor entwickeln.

Eine glaubhafte Umsetzung mit überzeugenden Schauspielern. Während der eingangs arrogante und distanzierte Daru im Lauf der Handlung zusehends auftaut und Emotionen zeigt, beweist Mohamed seinerseits, dass er keineswegs der unterwürfige Bauer ist, sondern in der Tat ein intelligenter Mann mit klugen Ansichten. Und wenn man die stereotype Erwartungshaltung an das Filmgenre „Western“ einmal aus dem Hinterkopf streicht, dann bleibt am Ende eine wirklich bemerkenswürdige Verfilmung.

F 2014, Regie: David Oelhoffen, Kinostart: 09.07.2015

(Text: Steffen Rieger, Bild: Arsenalfilm)

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