Neu im Kino: American Honey

4_mg_4862-copyPerspektivlose White Trash Teenies auf einem Roadtrip durch den mittleren Westen der USA, untermalt von Sex, Drogen, Hip Hop und Kleinkriminalität. Das ist American Honey.

Die 18-jährige Star (Schauspiel-Debüt von Sasha Lane) aus Texas hat ein ziemlich beschissenes Leben: Sie durchsucht zusammen mit ihren kleinen Halbgeschwistern Supermarkt-Mülltonnen, um Essen auf den Tisch zu bringen. Zuhause wartet ihr besoffener Vater, der sich an ihr vergeht. Die Mutter ihrer Geschwister ist längst abgehauen. Star hat nicht viel zu verlieren. Deswegen muss sie auch nicht lange überlegen, als sie den charmanten Jake (Shia LeBouf) auf einem Parkplatz trifft und der ihr anbietet, ihn und eine Gruppe Jugendlicher für einen Job zu begleiten. Die Gruppe reist im Van durch den mittleren Westen der USA, tagsüber verkaufen sie als Hausierer dubiose Zeitschriftenabos, abends steigen sie in Motels ab, trinken, feiern und prügeln sich. Sie sind ein Haufen White Trash – weiße Kids ohne Perspektive und ohne Eltern, die sie vermissen würden. Star fühlt sich schnell wohl in ihrer neuen Gang und zu Jake hingezogen, auch wenn die dominante Chefin Krystal (Riley Keough) nicht zuletzt deswegen ihr gegenüber skeptisch ist.

American Honey ist eine Sozialstudie. Der Film zeigt eine Gruppe kaputter Jugendliche, die auf der Suche nach Gemeinschaft, Anerkennung und sich selber sind. Der Film zeigt aber auch die USA: Die reichen Nachbarschaften mit Villen und ihren Bewohnern, die alles haben, wovon man nur träumen kann und die armen Ghettos, in denen Kinder nichts zu essen haben und ihre Eltern es in ihrem Meth-Delirium gar nicht mal mitbekommen. Bei beiden hängt die amerikanische Flagge am Haus. Einen richtigen Spannungsbogen gibt es in den knapp drei Stunden Film nicht, langsam erzählte Momente wechseln sich immer mal wieder mit spannenden Szenen und gleichbleibenden Autofahrten ab. Wer hier einen typischen Aufbau mit Anfang, Höhepunkt und Schluss erwartet, der wird bei American Honey eher enttäuscht. Es ist ein Indie-Film, der sehr viel Wert auf den Moment legt und dem man sich ein Stück weit hingeben muss. Hinderlich ist dabei die glatte deutsche Synchronisation, durch die der authentische Asi-Slang der Schauspieler verloren geht.

Wir sehen das Geschehen durch die Augen von Star, aber trotzdem erfahren wir nicht viel über sie oder ihre Vergangenheit, sondern erleben auch sie nur im Moment. Die anderen Jugendlichen lernen wir nur oberflächlich kennen, was sehr schade ist, weil sie alle ihre eigenen Geschichten mitbringen. Regisseurin Andrea Arnold hat für ihre Figuren betrunkene Jugendliche auf Parkplätzen angesprochen und dort für die Rollen gecastet. Authentizität spielt eine große Rolle für American Honey: In vielen detailreichen Aufnahmen ist das Lebensgefühl der Jugendlichen so nah, als würde man mit im Auto sitzen. Dazu kommt ein bemerkenswerter Soundtrack, der von Trap wie „I Like Tuh“ bis hin zu Indie-Folk-Tracks wie „God‘s Whisper“ beim Tanz ums Lagerfeuer reicht, und in die schöne neue Welt von Star begleitet.

USA/UK 2016, Regie: Andrea Arnold, Kinostart: 13. Oktober

(Text: Lisa Bertram, Bild: Universal Pictures / Holly Horner)

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