Teil einer Jugendbewegung – diesen Stempel werden Tocotronic wohl auf ewig tragen. Und bestimmt sind unter euch Lesern auch einige ältere Semester dabei, die sich noch genau daran erinnern können, wie das damals war. Als die vier trainingsjackentragenden Jungakademiker den Nerv einer Generation trafen, welche froh war, dass jemand ihre Alltagswut in deutschen Texten mit Protest-Attitüde projizierte. Als Cordhosen, Hallensportschuhe und die „Toco-Frisur“ zu beliebten Szene-Merkmalen wurden. Um eine Szene namens Hamburger Schule, zu der auch Kolossale Jugend und Blumfeld gezählt werden.
Inzwischen hat Dirk von Lowtzow graue Haare bekommen, er und seine Bandkollegen tragen schickere Hemden und feiern dieses Jahr mit dem zehnten Album „Wie wir leben wollen“ ihr 20-jähriges Jubiläum. Man ist leiser geworden, der raue Diskursrock wurde geglättet, und dennoch ist das neue Werk alles andere als glatt, sondern an Ausgefeiltheit schwer zu überbieten. Nicht nur das textliche Konzept, auch die Aufnahmetechnik mit einem alten Vierspurgerät, von dem es weltweit nur noch fünf funktionierende gibt, offenbart die fast nerdhafte Liebe zum Detail. Hoffen wir, dass sich die Band auch auf ihrer Tour intensiv darin verliert.
Live: 4. April, E-Werk, Schanzenstr. 36, Beginn: 20h
(Foto: Michael Petersohn)