Nach der Veröffentlichung ihres Debutalbums im Jahr 2009 und ihrer anschließenden immerhin zweijährigen Tour wurde es still um Moderat. Das Trio aus dem Modeselektor-Duo Sebastian Szary und Gernot Bronsert und Apparat-Kopf Sascha Ring hat sich in Kreationsphasen der separaten Projekte zurückgezogen. Neue Energie und Impulse konnten die Künstler gleichermaßen aus der Moderat-Schaffenspause ziehen. Im vergangenen Jahr kam dann das zweite Album „Moderat II“ und derzeit ist das Kollektiv auf Tour. SLIK-Reporterin Saskia Gerhard hat mit Sebastian Szary über Visuals, Arbeitsrythmen und die Kunst des Loslassens gesprochen.
Ihr seid wieder da mit eurem neuen Album „Moderat II“. In der Zwischenzeit nach eurem Debut habt ihr ja mit Modeselektor weitergemacht, Sascha war wieder mit Apparat unterwegs. Die Sachen, die ihr im einzelnen macht, unterscheiden sich schon von Moderat. Bei Apparat ist mit „Krieg und Frieden“ ja sogar sehr physische Musik entstanden, sehr orchestral. Wie habt ihr da wieder zueinander gefunden?
Wir hatten das nach unserer letzten Moderat-Tour im Hinterkopf. Die ging 2011 zu Ende und wir wussten so ungefähr, dass wir in zwei Jahren wieder was planen wollen. Dann hatte man sich aber wirklich auch eine Weile aus den Augen verloren. Dafür, dass uns 2009 unter Moderat allerdings erstmal kaum jemand kannte, hatten wir dann am Ende dieser ersten Phase einen ziemlich großen Fankreis und der hat eben auch erwartet, dass da eine Fortsetzung kommt. In der Zwischenzeit hatte es bei uns dreien natürlich einen Erfahrungs-Boost gegeben durch unsere Modeselektor- und Apparat-Projekte. Irgendwann haben wir uns dann entschieden, wieder als Moderat ins Studio zu gehen. Nach Laune und ganz spontan hat das aber nicht funktioniert. Da muss man sich einen Zeit-Korridor schaffen mit guter Planung und wir mussten vor allem auch unsere Rhythmen abstimmen. Gernot und ich fangen halt gern früh im Studio an, also am besten um zehn Uhr morgens – da ist die Energie frisch. Dann macht man bis nachmittags um drei und dann holt man die Kinder aus dem Kindergarten ab. Wir kennen da unsere Kreativ-Hochphase. Sascha war dagegen eher auf den Nachmittag getrimmt. Das hat zwei, drei Wochen gedauert, bis wir da synchronisiert waren.
Auf eurer Homepage kann man es lesen und auch in Interviews erzählt ihr immer wieder, dass euch die Produktion zu dem Album regelrecht fertig gemacht hat und dass ihr euch daran aufgerieben habt. Das klingt nach der absoluten Quälerei in der Studiozeit und als hättet ihr euch gegenseitig fast die Köpfe abgerissen – war das wirklich so schlimm?
Symbolisch schon. Da spielen allerdings verschiedene Faktoren eine Rolle und gleichzeitig fand ich die Produktion auch echt magisch. Wir haben das Album genau in einem Zeitraum produziert, der in unseren Breiten auch depressiv geprägt sein kann, also von Oktober bis Anfang April. Und wenn wir uns an den letzten Winter erinnern: Da war teilweise über Wochen keine Sonne zu sehen. Das beeinflusst dann schon sehr. Dann schließt man sich jeden Tag in ein Studio ein oder man hat besser gesagt jeden Tag immer das selbe Programm – Gernot und ich haben ja auch noch ein Familienprogramm. Da gerät man in so einen gewissen Film. Und zusätzlich hatten wir auch keinen wirklichen Plan, als wir an das Album herangegangen sind. Dieser ganze Weg ist immer mit vielen Diskussionen verbunden und je konkreter man mit dieser Silhouette des Albums wird, desto mehr diskutiert man. Zum Beispiel der Track „Last Time“ (auf der Deluxe Edition) war in der Anfangsphase schon fertig. Leider. Denn da hatten wir noch gar keine Struktur und wussten überhaupt nicht, was wir bezwecken wollen mit dem Album. Danach formte sich erst eine Richtung, „Last Time“ wurde erstmal verworfen und wir haben ihn sogar fast gelöscht. Das war für mich zum Beispiel ziemlich bitter, weil ich mit Sascha den Song ziemlich weit voran getrieben hatte, Gernot wollte aber etwas ändern, was ich nicht nachvollziehen konnte und da gab es vielleicht keinen Streit… Na ja, doch es gab Streit. (lacht) Natürlich gab’s auch Songs, die Gernot präferiert hat, die es dann nicht aufs Album geschafft haben. Irgendwie muss das aber auch sein.
Modeselektor und auch Moderat arbeiten seit Langem eng mit der Pfadfinderei zusammen, einem visuellen Kollektiv aus Berlin. Von ihnen stammen die Ideen für Visuals auf den Konzerten, aber auch für die Gestaltung von Videos. Insgesamt besteht das Team aus sieben Personen, wovon einer Moderat als VJ auf Tour begleitet und die Art Direction übernimmt.
Die Pfadfinderei hat auch die Grafiken im Video zu „Bad Kingdom“ entworfen?
Die haben das Konzept geschrieben, ja. Für die Illustrationen haben wir uns verschiedene Grafiker ins Haus geholt, zum Beispiel Serious Mo, der auch ein bekannter Künstler auf unserem Label Monkeytown ist. Der ist ein begnadeter Illustrator und dazu kamen dann noch weitere Illustratoren. Es wurde dann ein Storyboard geschrieben und dann hat man sich Gedanken gemacht, in welche Bildsprache das Ganze umgesetzt wird.
In einer Szene im Video sieht man zum Beispiel das Buch „Leaves Of Grass“ von Walt Whitman. Kannst du erklären, was es mit der Symbolik in den Bildern auf sich hat?
Ich kann das leider nicht erklären, aber eigentlich ist das auch gerade das Schöne: Wir haben da inhaltlich ganz locker gelassen und den Staffelstab abgegeben. Wir haben irgendwann einfach die Musik im Kasten und wissen dass die Pfadfinderei immer geile Ideen hat. Das läuft dann nach dem Motto: „Hier ist unsere Musik, wir hören jetzt mal eine Weile nichts voneinander und ihr macht einfach mal.“ Ein paar Wochen später legen die uns dann ein paar Ideen auf den Tisch. Für das „Bad Kingdom“-Video waren da ein paar gute Ideen, aber die jetzt war eben die beste. Die Szene, die du ansprichst, ist ja ein sehr kleines Detail, das wir gar nicht so genau beachtet haben. Wir geben das natürlich nicht ab, weil es uns egal wäre, sondern wir lassen uns einfach auch gern mal überraschen, was aus Sichtweise anderer Künstler, die mit der Musik nicht so unmittelbar zu tun haben, darin steckt. Und ich finde es echt interessant, dass die ausgerechnet so eine Story gewählt haben.
Die Visuals auf eurer Tour kommen nicht über LEDs, sondern werden auf eine Konstruktion aus zwei Leinwänden projiziert.
Das ist richtig. Es hat eine Weile gedauert, sich dieses Konstrukt auszudenken und es optimal einzustellen. Da hängen noch ein Live- und ein Bühnendesigner dran. Heutzutage ist es ja nicht direkt ein Battle, aber jeder will höher, schneller, weiter und vor allem heller sein – ein regelrechter LED-Krieg. Darauf haben wir bewusst verzichtet und arbeiten gerne mit Projektion. Das hat eine ganz andere Ästhetik.
Ihr spielt ja konsequent keine Modeselektor-Konzerte, wenn ihr als Moderat unterwegs seid und umgekehrt genauso. Warum diese strikte Trennung?
Wir wollen da eine klare Linie ziehen. Zum Beispiel in der ersten Phase mit Moderat vor vier Jahren haben wir etappenweise Moderat und Modeselektor gemischt. Auch weil wir zwischendurch Angst hatten, die Leute vergessen Modeselektor, wenn wir nur mit Moderat unterwegs sind. Das war so ein Tanz zwischen zwei Universen, die aber doch recht nah beieinander liegen. Das kostet zum einen einfach unheimlich viel Energie. Zum anderen könnten wir das jetzt sowieso nicht mehr machen, weil das Setup, das jeweils dahinter steht, mittlerweile echt umfangreich geworden ist. Wenn wir mit Modeselektor touren, sind wir zu sechs oder sieben Leuten unterwegs, mit Moderat sind wir neun Leute. Wir fahren überwiegend mit dem Bus, haben noch einen Anhänger, voll mit Flightcases. Eigentlich leben wir damit unseren Traum, dieses dreckige Live-Business. (lacht) Hin- und herswitchen ist da aber einfach echt schwierig.
Aber nach eurem Konzert in Köln in der Live Music Hall gab es trotzdem ein Modeselektor-DJ-Set im Gewölbe.
Stimmt, weil es einfach Spaß macht. Ein Moderat-Set mit drei Leuten wäre halt auch zu eng geworden, also gab es ein Set von Modeselektor. Da ist es dann auch einfach schön, den Joker in der Tasche zu haben und im Anschluss noch als Modeselektor den Bass reinzudrehen. Obwohl Moderat natürlich auch den Bass reindrehen kann!
Aktuell sind die Jungs erst einmal im Ausland unterwegs, ab dem 23. Februar spielen sie auch wieder Konzerte in Deutschland, zum Beispiel am 6. März im Dortmunder FZW.
(Text: Saskia Gerhard, Bild: Samuel John Butt)