Cook it yourself

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Nachdem beim letzten Versuch, ein Mittagessen zu kochen, statt der Butter in der Pfanne die Thermoskanne auf der Herdplatte nebenan wegschmolz, bleiben die Studenten-Kochbücher im Schrank. Mikrowelle, Toastbrot oder Mensa – Hauptsache wir werden satt. Geld oder Geschmack. Wer nicht kochen kann, muss eben Prioritäten setzen. Oder es sich von Lothar Geißler beibringen lassen.

In der Küche der Kölner Senioren Gemeinschaft KSG trifft sich der 73-jährige Hobbykoch mit interessierten Studenten, um sie in die Kunst des Kochens einzuweisen und anschließend das gemeinsam zubereitete Drei-Gänge-Menü zu genießen. Freitags um 10 Uhr geht’s los, gegessen wird um 12.30 Uhr und jeder zahlt eine Lebensmittelpauschale von 3,50€. Weil das für ein studentisches Brunch aus gesunden Zutaten ein fairer Preis ist, haben meine Mitbewohnerin und ich Mitte Mai mitgekocht.

Mit sechs anderen Studenten versammeln wir uns pünktlich in der kleinen Küche in der Zülpicher Straße 273 B, die bei einer größeren Teilnehmerzahl wohl an die Grenzen ihrer Kapazität stoßen würde. Sofort bietet uns Lothar das Du an und fügt augenzwinkernd hinzu, dass er als Küchenchef natürlich trotzdem das Sagen hat. Nachdem die Männer unter uns Studierenden die Kiste mit den tags zuvor gekauften Zutaten geholt haben und alles ausgebreitet ist, erklärt Lothar das Menü, das sich heute an der italienischen Küche orientiert: Auf Bruscetta mit Tomaten und Oliven folgt das Hauptgericht, Tagliatelle agioli mit Putenbruststreifen an Pesto-Sahnesauce. Abgerundet und versüßt wird das Ganze durch Sahne-Quark mit Sauerkirschen und gerösteten Mandeln. „Das wird das Highlight heute – wo ich doch noch nichts gegessen habe“, freut sich Anita und nimmt direkt Mixer und Rührschüssel in die Hand.

Das Timing der Zubereitung ist gut durchdacht: Weil das Dessert kalt stehen muss, wird es zuerst angerührt. Anfängerpech: Die Sahne verwandelt sich in süße Butter. Ein Malheur, aber keine Tragödie. Während Lukas im Supermarkt Ersatzsahne holt, erklärt Lothar, dass es beim Sahneschlagen auf die richtige Dauer ankommt, gerade die Gewitterstimmung das Ganze aber erschwert. Die Bauernregel kannte ich nicht – hier lernt man tatsächlich was für’s Leben. Auch für das Schneiden des Fleisches bekommen wir Tipps: Um sich nicht die Finger abzusägen, sollte man die Fingerkuppen nämlich unbedingt verborgen halten. Das klingt gefährlich. Als Vegetarierin halte ich mich sowieso dezent fern vom Fleisch und ein anderes Mädchen übernimmt die Aufgabe. Allerdings zu gemächlich für Lothars Geschmack: Da nicht nur die „Köche“, sondern auch hungrige Senioren der KSG am Mittagessen teilnehmen, legt er Wert darauf, um 12.30 Uhr zu servieren.

Es wird also hektischer und alles läuft parallel. Während irgendwer das Wasser für die Nudeln aufsetzt, würzt ein anderer das Pesto mit einigen Knoblauchzehen – für die es übrigens ein besonders pfiffiges Küchengerät gibt, das die äußere Haut im Nu entfernt. Neben solch nützlichen Hinweisen hat Lothar zu jedem Thema eine Anekdote auf Lager. Kochen lernen ist an diesem Mittag nur praktischer Nebeneffekt, der eigentliche Sinn ist das Zusammentreffen von Jung und Alt. Lothar spricht von einer „Zeitzeugenbörse“: Wir Studenten erfahren vom Leben vor 50 Jahren und erzählen im Gegenzug, wie es heute ist. Die Unterschiede sind vielleicht gar nicht so groß: „Die Welt hat sich nicht sonderlich verändert. Früher haben wir uns ausprobiert und dieses und jenes für uns entdeckt, und genauso geht es den jungen Erwachsenen heute.“

Und so interessieren wir Studenten uns auch immer mehr für das Traditionelle, Stricken in den Hörsälen oder rufen Aktionen wie diesen Kochkurs ins Leben. Unter dem Titel „Classic Classes“ entstand der nämlich neben Literatur- und Strickkursen sowie Spiel- und Gesprächsrunden als Projekt der studentischen Initiative Enactus, mit dem Ziel, die Generationen mehr zusammenzuführen.

Schließlich ist das letzte Basilikumblatt gezupft und auch meine vegetarische Portion mit einer halbierten Tomate dekoriert. Die Tafel ist angerichtet und der beste Teil des Mittags erwartet uns. Es schmeckt grandios, die anderen Senioren am Essenstisch haben ebenfalls spannende Geschichten zu erzählen und ich versäume es gänzlich, während des Essens Notizen zu machen. Somit bleiben anschließend nur Fotos, die Instagram-Qualität haben und der Ratschlag, doch einfach selbst einmal mitzukochen und das Essen zu probieren. Infos dazu gibt’s auf der Facebook-Seite zum Projekt: www.facebook.com/classic.classes.cologne.

(Text: Marlene Thiele)

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