Buchtipp: Siri Hustvedt – Die Illusion der Gewissheit

U1_978-3-498-03038-4.inddKann man den Geist vom Körper trennen? Ohne zu viel vorweg zu nehmen, eine definitive Antwort auf die Frage kann auch Siri Hustvedt nicht geben, was aber auch nicht weiter schlimm ist, denn manchmal ist die Diskussion viel spannender als ein konkretes Ergebnis. So auch hier. Hustvedts umfangreicher Essay vernetzt Philosophie und Wissenschaft und regt dabei das große Mysterium selbst an – den Geist.

Dass Hustvedt vielseitig ist, sollte spätestens nach ihrem letzten Roman Die Gleißende Welt (2015) und ihrer sehr persönlichen Aufarbeitung eines Nervenleidens in Die Zitternde Frau (2010) bekannt sein. So setzt sie sich auch in Die Illusion der Gewissheit mit verschiedensten Ansätzen zur Leib-Seele-Dichotomie auseinander und verbindet das Natur- mit dem Geisteswissenschaftlichem. Klingt komplex, ist es auch, aber dank Hustvedts sowohl lehrreichem, als auch stets unterhaltsamen Stil werden auch die vertracktesten Zusammenhänge verständlich. Dabei hangelt sie sich von Descartes über Margaret Cavendish zu Kierkegaard, regt sich mal mehr und mal weniger über stereotype Geschlechterbilder auf, beschäftigt sich ausgiebig mit künstlicher Intelligenz und kommt letztendlich zu dem Schluss, dass sie sich selbst immer noch fremd ist.

Die Illusion der Gewissheit macht, und auch hier kann man sich ein „wie immer“ nicht verkneifen, Lust auf mehr, denn gerade weil Siri Hustvedt nicht belehrt, sondern den Leser durch ihre eigene Gedankenwelt führt, hat man auch als neurowissenschaftlicher Amateur nie das Gefühl, überfordert zu sein. Im Gegenteil, man erwischt sich geradezu dabei, wie man den Essay zur Seite legt und feststellt, dass einen Hustvedts Ausführungen auch noch Tage später beschäftigen. Man kann also auch in Zukunft nur hoffen, dass Hustvedt die vielen Fragen niemals ausgehen.

(Verlag: Rowohlt)

Autorin: Annette Schimmelpfennig

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