Buchtipp: Sally Rooney – Gespräche mit Freunden

T-Rooney_Gespraeche.inddImmer, wenn jemand zur „Stimme einer Generation“ ausgerufen wird, zuckt man unwillkürlich zusammen. Ob Pop-Prinzessinnen oder -Poetinnen, Girl Power oder Sex and the City, diese Stimmen, die da angeblich für weibliche Millennials sprechen sind immer jung, immer frech, immer unangepasst, so zumindest ihr Image. Leider sind sie meist aber nur so durchgestylt wie durchkalkuliert. Nun also Sally Rooney. Irin, 28 und Autorin eines Debutromans, der so wunderbar unprätentiös daherkommt, dass man nur hoffen kann, dass sie die Stimme gleich mehrerer Generationen wird.

Erzählt werden die Gespräche mit Freunden von Frances, einer 20-jährigen Literaturstudentin aus Dublin, die gemeinsam mit ihrer Ex-Freundin Bobbi Teil eines recht erfolgreichen Spoken Word-Duos ist. Nach einem ihrer Auftritte lernen sie Melissa kennen, eine Journalistin Ende 30, und Nick, ihren jüngeren, schauspielernden Ehemann. Melissa möchte ein Porträt über die beiden schreiben und lädt sie immer wieder zu gemeinsamen Abenden ein. Während Bobbi mehr und mehr für Melissa schwärmt, fühlt sich Frances zu Nick hingezogen und es entspinnt sich ein kompliziertes Beziehungsgeflecht, in dem Freundschaften, aber auch Grenzen immer wieder neu definiert werden müssen.

Rooney beherrscht es meisterhaft, Komplexität auf simpelste Weise auszudrücken und was wie ein Paradox klingt, ist ein aufrichtiges Kompliment, denn wo viele Popliteraten in künstlicher Coolness baden oder ihre eigene Cleverness mit üppigen Referenzen belegen wollen, verlässt sich Rooney ganz auf die Verführungskraft ihrer Charaktere. Was diese so verführerisch macht, ist dass sie weder perfekt noch kaputt sind, sie sind so authentisch, dass es schon fast ein bisschen wehtut. Frances beobachtet andere, aber auch sich selbst, man kauft ihr das Oszillieren zwischen noch jugendlicher Naivität und der intellektuellen Stimulation des akademischen Umfelds ab, ohne dass zu artifiziell, zu gewollt wirkt. Letztendlich ist Gespräche mit Freunden, wie diese bestenfalls sein sollten: unterhaltsam, ehrlich, anregend. Diese Stimme darf ruhig lauter werden.

(Verlag: Luchterhand)

Autorin: Annette Schimmelpfennig

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