Wiederlesen macht Freude: Noch bevor J.K. Rowling ihren Zauberlehrling Harry Potter nach Hogwarts schickte, hat uns Philip Pullman mit nach Oxford zu Lyra Belacqua und ihrem Daemon Pantalaimon genommen und uns gezeigt, dass „Staub“ nicht gleich Staub ist. Jetzt kommt mit Über den wilden Fluss der erste Teil der Prequel-Trilogie von Der Goldene Kompass und beweist, dass eine Geschichte, die man schon in der Kindheit geliebt hat, nichts von ihrem Zauber verliert.
Im Fokus steht diesmal Malcolm, der elfjährige Sohn eines Gasthaus-Besitzers, der mitbekommt, dass sich einige zwielichtige Herren für ein Waisenmädchen interessieren, das sich in der Obhut der Nonnen im nahegelegenen Kloster befindet. Bei dem Mädchen handelt es sich um Lyra, die von den Nonnen wie ein Schatz gehütet wird, denn sie wissen, wie wichtig sie im Kampf Gut gegen Böse ist. Malcolm ist sofort fasziniert von Lyra und rettet sie in letzter Minute vor einer alles zerstörenden Flut. Gemeinsam mit Lyra und Alice, einer vorlauten und sehr unterhaltsamen Fünfzehnjährigen, flieht Malcolm in seinem geliebten Kanu auf dem ansteigenden Fluss vor den Handlangern der ebenso brutalen, wie allmächtigen Geheimorganisation.
Nun, dass für Lyra die Reise gut ausgeht, dürfte klar sein, trotzdem verliert der erste Teil der neuen Reihe nicht an Spannung, im Gegenteil. Das Grundrezept aus Fantasy , düsterem Märchenund gar nicht mal so subtiler Kirchenkritik funktioniert auch über zwanzig Jahre nach Erscheinen der Ursprungs-Trilogie noch hervorragend, schafft Pullman doch ein Gleichgewicht zwischen altbekannten, die Reihe definierenden Motiven (gestaltwechselnde Tierdaemonen, die Rückkehr bekannter Charaktere, das Alethiometer) und neuen Elementen, die sowohl Fans, als auch neue Leser fesseln dürften. Falls also noch das passende Weihnachtsgeschenk für die gemeine Leseratte fehlt, Über den wilden Fluss können wir ganz klar für junge und junggebliebene Freunde magischer Parallelwelten empfehlen, die auch noch nach den Feiertagen dem grauen Alltag entfliehen wollen.
Verlag: Carlsen
(Text: Annette Schimmelpfennig)