Buchtipp: Katie Kitamura – Trennung

Katie Kitamura – TrennungEs beginnt mit einem Anruf der Schwiegermutter. Isabella möchte wissen wo Christopher steckt, ihr Sohn und Ehemann der namenlosen Protagonistin. Diese weiß nicht, wo er sich befindet und wenn sie ganz ehrlich ist, ist es ihr auch egal, denn das Paar ist schon seit längerem getrennt. Nun aber muss sie dem Mann hinterher reisen, mit dem sie nichts mehr anfangen kann, der ihr fremd geworden ist oder es vielleicht immer schon war. Katie Kitamuras Trennung ist nicht nur ein Roman über das Ende einer Beziehung, sondern auch über die Frage, ab wann man eigentlich voneinander getrennt ist. Ihren Erzählstil als unterkühlt zu bezeichnen ist ein Understatement. Jedoch ist es gerade diese Distanziertheit zur sonst so emotionsgeladenen Thematik, die Trennung so gut macht.

„Keine Mutter würde ihre Schwiegertochter bitten, nach Griechenland zu reisen, um dort ihren Sohn um die Scheidung zu bitten. Ich hätte in London bleiben und mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern können. Aber ich sagte es ihr nicht, und ich blieb nicht in London. Hätte Isabella gewusst, dass sie mir ein Flugticket gekauft hatte, damit ich ihren Sohn um die Scheidung bitten konnte, hätte sie mich wahrscheinlich an Ort und Stelle umgebracht. So etwas lag durchaus im Bereich des Möglichen. Sie war, wie gesagt, eine außerordentlich kompetente Frau“. Nein, das Verhältnis zwischen der Erzählerin und ihrer Schwiegermutter ist, erwartungsgemäß, nicht besser, als das zu ihrem Noch-Ehemann. Demensprechend sieht sie die Reise in den Süden, um den verschwundenen Christopher ausfindig zu machen, als lästige letzte Ehepflicht an. Vor Ort muss sie feststellen, dass sie den Mann, mit dem sie seit Jahren ihr Bett teilte, wesentlich schlechter kannte, als sie selbst vermutet hatte. Auch muss sie feststellen, dass ihr Mann noch immer Emotionen in ihr hervorrufen kann, und sei es nur Eifersucht auf andere Frauen. Ob Christopher gefunden wird und ob es letztendlich zur finalen Trennung kommt, soll an dieser Stelle nicht verraten werden. Nur so viel, die Suche nach Christopher bleibt nicht die einzige, die die Erzählerin beschäftigt.

Ein Hochzeitsgeschenk für frisch und glücklich Vermählte ist Trennung sicherlich nicht. Allerdings muss man auch nicht kürzlich getrennt sein, um mit der namenlosen Frau sympathisieren zu können. Generell ist Sympathie der falsche Ansatz hier. Kitamuras Erzählerin ist vor allem authentisch, sie ist gleichgültig, aber auch verletzt, sie ist bemitleidenswert, aber auch nicht unschuldig. Der Reiz des Romans liegt in der bereits erwähnten Distanziertheit, die man sich selbst zu einer gescheiterten Beziehung wünscht, aber nicht immer aufrecht erhalten kann, ebenso wenig wie die Protagonistin. Trennung tröstet nicht, hat aber dank lupenreiner Sezierung einer scheinbaren Traumehe und dem, was wir dafür halten, letztendlich kathartische Tendenzen.

(Verlag: dtv)

(Autorin: Annette Schimmelpfennig)

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