Buchtipp: Javier Marías – Berta Isla

u1_978-3-10-490916-5Es gibt Romane, deren erster Satz einen bereits so in den Bann zieht, dass sie noch lange nachhallen. Sei es Moby Dicks „Nennt mich Ishmael“ oder Rebeccas „Gestern Nacht träumte ich, ich sei wieder in Manderley“, selten gelingt es Autoren die Stimmung einer Erzählung in einem einzigen Motto einzufangen. Javier Marías Berta Isla ist so ein Roman: „Es gab eine Zeit, da war sie sich nicht sicher, ob ihr Mann ihr Mann war, wie man auch im Dämmerschlaf nicht weiß, ob man denkt oder träumt, ob man seinen Geist noch lenkt oder die Erschöpfung ihn in die Irre führt“. Schöner kann man eine Liebe, die von Angst und Misstrauen geprägt ist, kaum zusammenfassen.

Zu Beginn ihrer Beziehung ist noch alles rosarot: Die Madrilenin Berta, ein wunderschönes Mädchen, das später zu einer noch schöneren, verführerischen Frau heranwächst, verliebt sich noch während ihrer Schulzeit, die durch das Franco-Regime geprägt ist, in Tomás Nevinson, halb Spanier, halb Engländer. Die beiden werden ein Paar und halten auch dann noch Kontakt, als Tomás für sein Studium nach Oxford geht. Dort wird er in einen Mord verwickelt, der das Leben des jungen Paares maßgeblich beeinflusst. Tomás wird vom britischen Geheimdienst rekrutiert und gezwungen, von nun an ein Doppelleben zu führen. Zuhause in Spanien ahnt Berta, mittlerweile seine Ehefrau, zunächst nichts von Tomás neuer Identität, obwohl sie zunehmend Veränderungen an ihrem Mann wahrnimmt. Es kommt immer wieder zu eigentümlichen Zwischenfällen, mal werden Berta und der gemeinsame Sohn von einem seltsamen Pärchen bedroht, das angeblich bei einem Konsulat beschäftigt ist, dann kann sie Tomás ewig lang nicht erreichen und muss feststellen, dass die Kollegen, von denen er ihr erzählt, so überhaupt nicht existieren. Berta erkennt, dass ihr Mann eigentlich ein Fremder für sie ist und doch kommt sie von ihm nicht los.

Berta Isla ist weder ein schneller Agententhriller, noch eine kurzweilige Ehegeschichte. Auf etwas mehr als 650 Seiten erzählt Marías, der hierzulande mit Mein Herz so weiß bekannt wurde, zumeist aus Bertas Sicht vom Leid zweier Menschen, das durch Lügen und Geheimniskrämerei verursacht wird. Es geht weniger um Schuld und Motive, viel mehr stehen die Szenen einer Ehe im Vordergrund, die oftmals ebenso dramatisch sind, wie das historische Konstrukt, in das sie eingebettet sind. Marías spielt dabei mit der Sprache, dass es ein Genuss ist, wobei man an dieser Stelle auch die überaus gelungene Übersetzung von Susanne Lange erwähnen muss, die die Bildhaftigkeit des spanischen Originals bewahrt. Wenn sich Berta gegen Ende des Romans noch einmal die gleiche Frage stellt, wie zu Beginn, dann muss man feststellen, dass es manchmal wesentlich angenehmer ist, wenn man nicht auf alles eine Antwort bekommt.

(Verlag: S.Fischer)

Autorin: Annette Schimmelpfennig

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