„Du bist verrückt mein Kind, du musst nach Berlin“. Das 20er-Jahre-Revival, ausgelöst durch die Der Nasse Fisch-Adaptation Babylon Berlin, ebbt bereits ab, jedoch so ganz Sang und Klanglos tritt das Jahrzehnt zwischen Konjunkturhoch und Wirtschaftskrise auch in der Literatur nicht ab. Das Diamantenmädchen des deutschen Schriftstellers Ewald Arenz ist zwar schon 2011 erschienen, passt in seiner Neuauflage aber immer noch bestens in das Jahr 2019 und wird all jene begeistern, die noch etwas in der Zeit der „Goldenen Zwanziger“ verweilen wollen.
Im Zentrum der Geschichte steht Lilli Kornfeld, das titelgebende „Diamantenmädchen“, welches als Journalistin vor Ausbruch des 1.Weltkriegs für die Berliner Illustrirte arbeitet. Als Kind waren Lilli und ihr Bruder Wilhelm mit dem Nachbarsjungen Paul van der Laan befreundet, der Jahre später wieder in ihr Leben tritt. Paul ist mittlerweile Diamantenschleifer und seine Expertise wird gefragt, als ein schwarzer Musiker ermordet aufgefunden wird, der einen wertvollen Rohdiamanten bei sich trägt und den Lilli kurz zuvor für einen Artikel fotografiert hat. Die Kommissare Schambacher und Togotze beginnen zu ermitteln und müssen bald feststellen, dass sowohl der Musiker, als auch Lilli Schlüsselfiguren im historischen Geschehen um sie herum sind.
Im Englischen heißt es ja sinngemäß, dass man ein Buch nicht nach seinem Einband bewerten soll, aber hier muss man das von Ars Vivendi ganz im Art Déco-Stil gehaltene Coverdesign doch einmal lobend hervorheben, welches sofort in die richtige Lesestimmung versetzt. Genretechnisch lässt sich Das Diamantenmädchen schwerer greifen, vermischt Arenz doch durchweg Merkmale des historischen Romans mit einer Milieustudie, dem Krimi und eben auch einer zentralen Liebesgeschichte. Solch eine generische Unentschlossenheit mag nicht jedermanns Sache sein, ebenso die vielen Zeitsprünge zwischen der gemeinsamen Vergangenheit der Protagonisten und dem Hier und Jetzt. Wer sich allerdings auf die vielen Brechungen einlässt, der findet im Diamantenmädchen solide und vor allem gut recherchierte, atmosphärische Unterhaltung für die ersten kalten Herbststunden.
(Verlag: Ars Vivendi)
Autorin: Annette Schimmelpfennig