Buchtipp: Bret Easton Ellis – Weiss

ellis - weiss.inddEnfant terrible, agent provocateur, Brat Packer, „Kultautor”, „Frauenfeind“; kein Begriff scheint zu plakativ, um den Autor von Unter Null, American Psycho oder zuletzt Imperial Bedrooms zu beschreiben. Stören wird es ihn wenig. Bret Easton Ellis hat die literarische Provokation zu seiner persönlichen Kunstform erhoben und gibt dem postmodernen Meinungsaffen regelmäßig auf Twitter und in seinem Podcast Zucker. Mit Weiss legt Ellis nun druckfrisch seine Sicht der Dinge vor. Diese ist jedoch erstaunlich schwarz.

Allein der Titel spricht für sich. Zwar betont Ellis, dass er sich bei der Namensfindung von seinem Idol Joan Didion und ihrem autobiographischen Essayband The White Album inspirieren ließ, jedoch läd der Begriff geradezu zum Assoziationsspiel ein: Weiße Weste, (alter) weißer Mann, weiß wie die Hoffnung, an alte Erfolge anzuknüpfen. Unterteilt in diverse Themengebiete wie „Empire“, womit Ellis seine eigene Kindheit beschreibt, „Zweites Ich“, „Gefallen“ und „Post-Empire“, seine Überlegungen zu Popkultur und den Medien nach 9/11, kontempliert Ellis alles, was ihn bis heute beschäftigt hat. Ellis erzählt von seiner, auch in pornographischer Hinsicht, erfüllten Kindheit, den Anfängen als Journalist und Autor, der Kritik, die er einstecken musste, sowie seinem Leben als offen schwuler Mann. Daneben streut er immer wieder zwei seiner Lieblingsthemen ein, die Trumppräsidentschaft und seine zweifelhafte Liebe zu Twitter und provokanten Tweets, die ihn zeitweise bekannter machten, als seine Romane. Ellis scheint darin aufzugehen, dass andere (wie sein Lebensgefährte) sich über ihn aufregen, aber er pöbelt nicht konsequent. Zwischendurch wirkt es, als ob er seine Kampfansagen immer wieder abmildert, weil auch er weiß, dass zwar auch schlechte Publicity gute Publicity ist, er aber am Ende des Tages auch von Verkaufszahlen und Engagements lebt. Ellis ist zudem auch begnadeter Filmkritiker mit einem scharfen Blick für Form und Inhalt, der durchaus in der Lage ist, sich differenziert mit einem Werk auseinanderzusetzen, aber er scheint früher oder später zu sehr der Erwartungshaltung an den Skandalautor Ellis nachzugeben. So schießt er sich auf den Film Moonlight und die Regisseurin Kathryn Bigelow dermaßen ein, dass man glauben möchte, beide hätten ihm persönlich schweres Leid zugefügt, jedoch sind seine Hauptprobleme, dass es bessere Filme über Homosexualität gibt und Bigelow ärgerlicherweise attraktiv und eine Frau ist, weshalb sie seiner Meinung nach privilegiert behandelt wird. Man möchte ihn an solchen Stellen beiseite nehmen und ihm ein beruhigendes „it’s not that deep, Bret“ zuflüstern.

Für jemanden, der wiederholt der „Generation Weichei“ politische Hysterie und mediale Harmoniesucht vorwirft, scheint Ellis geradezu besessen davon zu sein, seine eigene Generation X zu verteidigen. Dabei ist er zwar selbstreflektiert genug um zu erkennen, dass sich seine Generation das Coolsein aus ökonomischer Sicht schlichtweg leisten konnte, jedoch lässt er sich viel zu häufig zu „das wird man doch noch sagen dürfen“ hinreißen, um sein eigenes Privileg zu verteidigen. Gleichzeitig hat Ellis in vielen Aspekten gar nicht mal Unrecht und er liefert einige sehr gute Denkanstöße, was den Wandel von Kunstkritik und -zensur und der Hang zum zwanghaften Gefallen und Selbstdarstellung angeht. Allerdings geht vieles davon in der zwanghaften Provokation unter, die in seinen Romanen immer noch wesentlich besser funktioniert hat, weil sie eben nicht real war. Es ist also wenig verwunderlich, dass sich Ellis nach fast neun Jahren nicht mit einem Roman, sondern einer Essaysammlung zurückmeldet, hat doch die Wirklichkeit seine skandalöse Fiktion längst eingeholt. Trotzdem, kein Grund, alles dermaßen schwarz zu sehen.

(Verlag: Kiepenheuer & Witsch)

Autorin: Annette Schimmelpfennig

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