Buchtipp: Benjamin von Stuckrad-Barre – Panikherz

9783462315752_10Essstörung, Drogensucht, Marius Müller-Westernhagen beim Halsnasenohrenarzt. Wer sich das Panikherz fasst, muss leidensfähig sein wie sein Autor selbst. Aber es ist eine schöne Form des Leidens, denn Benjamin von Stuckrad-Barre schreibt nicht nur sehr ehrlich, sondern auch außerordentlich unterhaltsam über die Highs und Tiefs seines Lebens. Dabei allgegenwärtig: Udo Lindenberg.

Alternierend zwischen damals und jetzt zeichnet Stuckrad-Barre seinen Weg vom Musikredakteur und gefeiertem Popautor zum bulimischen Junkie und wieder zurück nach. Damals, das ist die Jugend als Fan des Panikrockers, das erste Konzert, das erste Interview. Erster Rausch mit The Bates, später Totalausfall in der Schweiz. Jetzt hingegen ist der von Lindenberg verordnete Urlaub in Los Angeles, wo Stuckrad-Barre seine Schriftstelleridole Bret Easton Ellis und Nick Hornby wiedertrifft und gleichzeitig nostalgisch und enttäuscht wird, wenn er feststellt, dass die ehemaligen Helden (in diesem Falle Noel Gallagher) nur noch Rock’n Roll-Karikaturen sind.

Panikherz ist kein schönes Buch, sondern ein wichtiges. Zwischen all dem Suff, dem Kotzen und den (Ego-)Trips zeigt Stuckrad-Barre auf, wie wichtig die Familie und insbesondere dieser eine Freund ist, der auch dann noch da bleibt wenn man sich längst aufgegeben hat. Dass dies hier Udo Lindenberg ist, macht die ganze Angelegenheit für einige Leser wohl umso skurriler, wer ihn aber mal live erlebt hat (und das lohnt sich auch noch für die Generation, die denkt „Cello“ sei ein Lied von Clueso), der kann sich durchaus vorstellen, was das für ein feiner Kerl ist. Selten war Exhibitionismus so unterhaltsam und ja, auch so anrührend wie hier.

(Text: Annette Schimmelpfennig, Verlag: Kiepenheuer & Witsch)

Kommentare sind geschlossen.