BITS – Liebesbrief an Köln

23261735_10155122259553100_981356287_oBITS heißt die neue Kolumne für Alle über alles von Nada Assaad aus Köln.

Zieh Dich aus und leg Dich hin, Köln, wir müssen reden.

Eigentlich habe ich seit Monaten vor, diesen Moloch aus inzestuösen Tinder-Überbleibseln und selbstverliebten Medienklappspaten zu verlassen.

Damals, als meine westfälische Seele nach allem durstete, was einen Bahnhof besaß und kein Schützenfest zelebrierte, fand ich Köln noch geil.

Ich liebte es, in der Bahn vollgequasselt zu werden und am Brüsseler Platz vor dem Kiosk mit dem peinlichen Namen Bier zu trinken. Wenn alle Bars und Clubs zumachten, war auf das Sixpack immer Verlass. Mit der stilvollen Einrichtung, die neben künstlerisch anspruchsvollen Bildern stets eine Prise brunftiger Männer beinhaltete, trumpfte das Sixpack damit, dass man immer jemanden traf, der sich in einem desolateren Zustand befand als man selbst. Ich liebte den Kölner Klüngel und halte den Schreiber des Songs von „Mahatma Glück, Mahatma Pesch, Mahatma Ghandi“ für ein sensibles Mastermind. In meiner Wohnung im Herzen dieser Stadt wurde ich täglich vom sanften Gebrüll der Trainer aus dem Fitnessstudio nebenan geweckt und schlief abends selig zum Plätschern der Menschen, die in meinen Hauseingang pissten, ein.

Viele meiner ehemaligen Mitschüler halten Köln für eine Metropole. „Ich komme Dich dort mal besuchen“, sagen sie und belegen das Wort „dort“ mit solch einer gewaltigen Ehrfurcht, dass ihnen der s.Oliver-Schlüpper nass wird.

Mit annektierter, kölscher Gelassenheit – das westfälische Naturell ist notorisch angepisst – erkläre ich ihnen, dass Köln lauter bellt, als es sich mit seiner zahnlosen Kauleiste überhaupt leisten kann.

Denn Köln ist keine Großstadt im eigentlichen Sinne, auch wenn es sich gerne mit seinem Millönchen schmückt (für viele unvorstellbar, aber tatsächlich wahr: Köln hört nicht hinter den Grenzen Ehrenfelds auf.)

Köln ist kein Berlin, Hamburg oder München und das weiß es auch.

Unzählige Versuche, mich mit meinem HKX-Ticket an meinen Sitz zu fesseln, um dem 4711-Alptraum entgehen zu können, scheiterten kläglich.

Die weiße Fahne ist gehisst, Köln, in Dir werde ich von meiner 450-Euro-Rente bis in alle Ewigkeit leben müssen.

Macht aber nix, denn ich liebe Dich.

Köln, Köln, Köln, Köln

Wie in jeder Beziehung finde ich exakt genau so viele Sachen scheiße wie liebenswert in dieser Stadt. Und wie in jeder Beziehung erlischt irgendwann das lodernde Feuer, das uns unermüdlich alles toll finden lässt. Wenn wir danach immer noch was toll finden, ist dies der Beweis ewiger Liebe. Bis heute fasziniert mich, wie meine Tante neben meinem betonmischerlaut schnarchendem Onkel schlafen kann, ohne ihn versehentlich zu erwürgen. Ähnlich verhält es sich mit meiner Liebe zu Köln.

All die Jahre hielt mich diese Liebe davon ab, den nächsten Schritt (Berlin) und den übernächsten Schritt (Wien) zu wagen.

Köln ist mein Zuhause geworden, mit all seinen Büdchen, die von Chips und Kippen bis zur Klobürste alles anbieten, was man nachts um 2:45 so brauchen könnte. Köln steht auf gegen Rechts und überstrahlt radikale Irrläufer mit Massen von kölsche Lieder singenden Gutmenschen.

Kölns Bürger sind offen und hilfsbereit und so sanft wie ihr Bier. Diese Stadt nimmt vieles mit Humor und schunkelt gern an Karneval. Hier werden Kneipen nicht geschlossen, sondern einfach von ihren Stammgästen übernommen, fragt mal in der Kölschbar nach.

Köln hat immer ein Kölsch für Dich oder einen Mexikölner, die viel geilere Variante als das laue Originalgesöff aus dem Norden.

Den etwas laxeren Umgang mit zwischenmenschlichen Tugenden macht in Köln der Nubbel wieder gut. Einmal übers Feuer springen und zack, alles vergeben und vergessen. Auch, wenn wir alle gesehen haben, wie Du mit Deinem verheirateten Chef nach Hause gegangen bist.

Wir Kölner lieben unsere Straßenbahnen und die lebendigen Ansagen zwischendurch:

„GEH ENDLICH VON DER SCHEISS TÜR WEG, SONST KÖNNEN WIR NICHT WEITERFAHREN.“
Wir lieben die 20.000 Rewes hier und den besonders bunten Weihnachtsmarkt auf der Schaafenstraße.

Ach, eigentlich lieben wir alles, was mit Menschen, Freude und Alkohol zu tun hat.

Köln, ming Hätz, Dich verlasse ich nicht.

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