„Wir sind Perfektionisten“ – Alt-J im Interview

Der verschrobene, aber doch eingängige Sound von Songs wie „Breezeblocks“ oder „Fitzpleasure“ hat die britische Band Alt-J und ihr Debüt-Album „An Awesome Wave“ zum Newcomer-Liebling 2012 werden lassen. Spielen sie momentan noch als Vorband von Two Door Cinema Club, so haben sie im nächsten Jahr schon ihre ganz eigene Tour. SLIK hat mit Gitarrist Gwil Sainsbury und Schlagzeuger Thom Green gesprochen.

Wie geht‘s euch?

Thom: Ganz gut.

Gwil: Ja, gut. Wir hatten gestern einen Tag frei hier in Köln.

Oh, wo wart ihr denn?

Gwil: Also eigentlich nirgendwo (lacht). Wir sind schon so lange auf Tour, also haben wir einfach den ganzen Tag im Hotel verbracht. Mit Fernsehen und Zimmerservice. Das war echt gut.

Thom: Wir haben das echt gebraucht. Deswegen mal kein Sightseeing.

Wie läuft denn die Tour so weit?

Gwil: Ziemlich gut, ich weiß nur gar nicht genau, wann die Tour eigentlich angefangen hat. Ich glaube, wir sind seit Oktober in diesem Bus unterwegs. Da hatten wir mit der UK-Tour gestartet. Dann ging‘s nach Europa. Das ist jetzt unser erster Auftritt in Deutschland.

Ihr wart aber auch schon auf dem Hurricane und dem Southside Festival hier in Deutschland.

Gwil: Oh ja! Das Southside war großartig, es war so warm. Beim Hurricane hatte es nur geregnet. Wir hatten aber schon so gegen 12 Uhr mittags gespielt und man meinte zu uns, wir sollten nicht enttäuscht sein, wenn da nur ein paar Leute auftauchen würden. Während des Soundchecks waren dann auch nur um die 20 Leute da, aber als wir gespielt haben an die tausend. Das war großartig. Ich hab dann auch noch The XX gesehen. Das war eines meiner Highlights diesen Sommer.

Ihr habt erst vor kurzem den Mercury Prize gewonnen. Hättet ihr damit gerechnet, so schnell erfolgreich zu sein?

Thom: Naja, wir sind schon seit über vier Jahren eine Band, wir haben uns in der Uni getroffen. Irgendwie war es schnell. Aber irgendwie merkt man es auch nicht nicht, wenn man damit jeden Tag lebt. Man ist einfach in dieser kleinen Blase und kriegt das gar nicht mit. Du bist in diesem Bus und du merkst gar nicht, was passiert. Erst wenn so Dinge passieren wie der Preis oder du spielst eine Show und viele Leute sind da. Es ist so schwer zu sagen, wir touren nur die ganze Zeit.

Gwil: Ich glaub‘, es war schnell. Wir haben so viel gemacht, so viel getourt.

Thom: Das letze Jahr war schon krass. Ich fühl mich wie ne ganz andere Person.

Ihr habt ja fast alle Kunstwissenschaften studiert. Bringt euch das jetzt noch was? Designt ihr eure Shirts und Cover selbst?

Gwil: Einiges bringt uns wirklich noch was! Es ist ganz nützlich beim Coverdesign, Poster, dem Video und dem ganzen Zeug. Man hat ein besseres Wissen darüber. Wir arbeiten aber trotzdem mit einem Designer zusammen, wir haben nie selber designt. Aber wir suchen alles selber aus. Das Cover vom Album ist zum Beispiel von der Webseite der European Space Agency. Das ist ein Satellitenbild vom Ganges Delta.

Ihr habt euch an der Uni getroffen, wie kam es dazu, dass ihr die Band gegründet habt?

Gwil: Das war so zwischendurch.

Thom: Genau. Wir waren Freunde. Joe (Newman, Sänger) und Gwil haben dann mit der Band angefangen, ziemlich schnell, im ersten Jahr nachdem wir uns getroffen haben. Gus (Unger-Hamilton, Keyboarder) und ich kamen im zweiten Jahr dazu. Wir waren schon ne Weile befreundet, bevor wir überhaupt wussten dass wir alle Instrumente spielen. Ja, und dann hatten wir noch die Zeit dazu… und dann haben wir einfach zusammen gespielt. Das war‘s. Wir haben aber nicht sofort irgendwo gespielt. Wir wollten sichergehen, dass wir da gute Songs machen. Wir mussten auch gar nicht spielen, es gab keinen Druck. Wir haben uns einfach auf unsere Tracks konzentriert, auf die Musik und das Songwriting. Und das hat sich jetzt auf jeden Fall ausgezahlt. Wir wissen, wir haben da ein gutes Album gemacht. Da können wir stolz drauf sein.

Also würdet ihr euch als Perfektionisten beschreiben?

Gwil: Auf jeden Fall. Wir wollten das Beste machen, das möglich war.

Thom: Es gibt keine Kompromisse. Wir sind nicht zufrieden, bis wir wirklich glücklich mit etwas sind. Weil sonst muss man es gar nicht erst machen.

Schreibt ihr schon an neuen Songs oder lasst ihr euch da wieder vier Jahre für Zeit?

Gwil: Es braucht so lange, wie es eben braucht. Wir haben auch grade gar nicht die Zeit, um ins Studio zu gehen und zu Proben. Vielleicht nächstes Jahr im September, wenn die Touren vorbei sind. Aber wir spielen immer so ein bisschen was während der Soundchecks. Es könnte schon was dauern, bis wir genug Material haben, mit dem wir so zufrieden sind, dass daraus ein zweites Album wird.

Thom: Es dauert mindestens ein Jahr. Mindestens. Wahrscheinlich zwei. So bis 2014.

Gwil: Ich glaube, der Mercury Prize hat uns auch ein bisschen unter Druck gesetzt. Dass wir eben schnell ein zweites Album brauchen und noch mehr Touren.

Aber ihr bleibt euch treu und könnt dem Druck der Fans standhalten?

Gwil: Ja, das wollen wir. „Ihr bekommt es, wenn es fertig ist!“. Ich würde es hassen, ein Album zu machen, nur um noch eins gemacht zu haben.

Thom: Hoffentlich können wir in der Zwischenzeit andere Sachen rausbringen. Singles zum Beispiel. Oder ein Live-Album. Damit die Leute interessiert bleiben. Ich weiß ja, wie es ist, wenn du eine Band magst, aber nichts mehr von ihr hörst.

Seid ihr denn schon ein bisschen genervt vom vielen Touren?

Gwil: Definitiv. Jeder ist genervt vom Touren. Es ist einfach ein verdammt verrückter Lebensstil. Man führt so eine seltsame Existenz, geht von Ort zu Ort, aber sieht nie wirklich was davon. Ich glaube, jeder ist genervt davon. Aber nicht so sehr, als dass ich mir sagen würde „Fuck this! Fuck it all!“.

Thom: Man gewöhnt sich dran. Manchmal kann es auch aufregend sein. Du siehst jeden Tag so viele andere Menschen und kannst jeden Tag spielen. Das Reisen. Aber du vermisst auch vieles. Du hast Heimweh.

Gwil: Du verpasst die News! Ich hab keine Ahnung, was gerade politisch in Großbritannien los ist. Ich komme dann wieder und höre davon und denke mir: „Wann ist das passiert?“. Das ist gruselig! Wir haben keine Ahnung, welche Musik da grad so gehört wird oder welche TV-Serien laufen.

Was läuft denn musik- oder serienmäßig grad bei euch?

Gwil: Kennst du „Girls“? Das gucke ich grade. Thom, was guckst du?

Thom: Äh…hauptsächlich „Family Guy“. Wir hören auch Musik. Wir haben oben im Bus ne große Stereoanlage, da hören wir immer gemeinsam. Obwohl wir alle unterschiedliche Musikgeschmäcker haben. So abends, zum Zeitvertreib.

Wie kam es, dass ihr alle mit dem Namen Alt-J (bzw. ∆) einverstanden wart? Nachdem das mit „Films“ nicht geklappt hat?

Gwil: Das war ziemlich willkürlich. Wir haben einfach nach Namen gesucht und konnten uns nicht einigen. Dabei mussten wir dringend den Namen „Films“ ändern. Weil es ja die US-Band gibt, die „The Films“ heißt. Und ich hab einfach an meinem Computer rumgespielt und hab dann dieses Delta-Ding gefunden. Dann dachten wir uns: „Warum nicht das Dreieck-Symbol als Bandname?“ Dann dachten wir aber, nee das wäre nicht cool im Radio. Weil man nicht einfach Delta sagen kann. Delta klingt so nach amerikanischer Bruderschaft oder so. So sind wir dann beim Keyboard-Befehl Alt-J gelandet.

Wie sieht‘s denn mit alternativen Namen aus?

Gwil: Gus wollte unbedingt „Dog“.

Thom: Ja.

Gwil: Du doch auch! Du mochtest „Dog“ auch! Ich fand‘s doof. Gus mochte aber auch „In Canada“. Wir haben es gehasst.

Thom: Der Rest war alles Mist.

Gwil: „Colour Colour“!

Thom: „Colour Colour“ war gut.

Gibt‘s noch etwas, das ihr gerne loswerden möchtet?

Thom: Wir haben gestern so ne Show hier im Fernsehen gesehen.

Gwil: Oh ja! Ich hab so was noch nie gesehen.

Thom: Es ging so lange. Mindestens drei Stunden. Und es war so wie ne Art Game Show, wo zwei Spieler gegeneinander antreten. Und die beiden mussten so lächerliche Aufgaben bewältigen!

Gwil: Das war lächerlicher Mist! Die saßen in kleinen Scootern und mussten Runden durchs Studio fahren.

Der lächerliche Mist stellte sich dann recht schnell als „Schlag den Raab“ heraus, der die Briten offensichtlich sehr amüsiert hat. Nach einer kurzen Erklärung, wer denn dieser Typ mit der Fastglatze ist und warum die Sendung immer bis spät in die Nacht geht, waren Gwil und Thom sichtlich beeindruckt. Vor allem faszinierte aber das Preisgeld, das dem Gewinner winkt.

Gwil: Ich will da auch mal mitmachen!

(Interview: Lisa Bertram, Bild: Danny Payne)

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